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Finanzen Finanzen: Wirtschaftsprüfer mischen überall mit

Von Alexander Missal 06.11.2006, 09:11

Frankfurt/Main/dpa. - Vier großeFirmen beherrschen die Branche weltweit: PricewaterhouseCoopers(PwC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte. Ehrfürchtig werden sie die«Big Four» genannt. In der Öffentlichkeit kaum bekannt, prüfen sieBilanzen von Firmen, übernehmen die Steuererklärung oder beraten beiFusionen. «Professional Services» heißen solche Dienstleistungen inder angelsächsischen Welt, wo der Begriff Wirtschaftsprüfung keinenguten Klang hat.

Das globale Wirtschaftswachstum und die Flut an Regulierungen undVorschriften für Unternehmen haben den «Big Four» in den vergangenenJahren zweistellige Wachstumsraten beschert. An die 25 000Mitarbeiter beschäftigen sie allein in Deutschland - mit steigenderTendenz. Neueinstellungen sind für die Gesellschaften ohnehinRoutine: Pro Jahr verlässt etwa jeder achte Mitarbeiter seinenArbeitgeber, um zur Konkurrenz zur wechseln. Im FrankfurterMertonviertel, einer unwirtlichen Bürostadt, ist das ganz einfach:Die Deutschland-Zentrale von PwC und die größte Niederlassung vonKPMG stehen dort direkt nebeneinander - und sind bis auf das Logoauch kaum voneinander zu unterscheiden.

Wirtschaftsprüfung ist ein merkwürdiges Geschäft: Unternehmenmüssen selbst dafür zahlen, dass sie sich auf Herz und Nierendurchforsten lassen. Daneben buhlen die «Big Four» um zusätzlicheAufträge. Interessenkonflikte können zwar meist vermieden werden,doch mit kuriosen Folgen: Beauftragt ein DAX-Konzern drei derGesellschaften mit jeweils einem Mandat für die Prüfung,Steuerberatung und Unterstützung bei einer Übernahme, bleibt im Falleines weiteren Auftrags nur ein Anbieter übrig - der Wettbewerb istaufgehoben. «Es gibt daher die Befürchtung, dass vier großeGesellschaften zu wenig sind», erläutert Kai-Uwe Marten, Professorfür Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der Universität Ulm.

Gedanken macht sich vor allem die EU-Kommission. Einst hatte esnoch die «Big Five» gegeben, doch die traditionsreiche Firma ArthurAndersen wurde 2002 wegen ihrer Verwicklung in den Skandal um denamerikanischen Energieriesen Enron aufgelöst, die einzelnenLandesgesellschaften verteilten sich auf die Konkurrenten.Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy, ein gelernterWirtschaftsprüfer, hält es für möglich, dass Klagewellen nachfehlerhaften Prüfungen eine weiteren der großen Wirtschaftsprüfer zuFall bringen könnten und setzt sich daher für Haftungsbeschränkungenein, die die Branche schützen sollen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Deutschland neben den«Big Four» noch eine Reihe mittelständischer Anbieter, auch liegtdort Deloitte - weltweit die Nummer zwei - weit hinter derdrittgrößten Gesellschaft Ernst & Young zurück. Die Regulierungsflutund die Mandate der immer internationaler ausgerichtetenUnternehmenskunden erfordern jedoch große Apparate und einegrenzüberschreitende Zusammenarbeit der Wirtschaftsprüfer, die bisherin eher losen nationalen Partnerschaften unterschiedlicher Qualitätorganisiert sind. Die Landesgesellschaften versuchen daher, aufvertraglicher Basis enger zusammenzuarbeiten, oder wollen sogar - wiedie Ableger von KPMG in Großbritannien und Deutschland - fusionieren.

Bill Parrett, der oberste Chef von Deloitte, hat darüber hinauseinen Börsengang ins Gespräch gebracht, weil er die überkommeneStruktur mit Partnern als Eigentümern nicht mehr für zeitgemäß hält.Zu dieser Thematik hat die EU-Kommission ebenfalls eine Studie inAuftrag gegeben. Bei den Konkurrenten jedoch - zumindest inDeutschland, wie eine dpa-Umfrage ergab - werden solche Überlegungenderzeit noch abgelehnt. Inhaltlich gewandelt hat sich dieWirtschaftsprüfung bereits in den vergangenen Jahren. Obwohl hochbezahlt, müssen die Angehörigen der Zunft wegen der ausuferndenBestimmungen zur Rechnungslegung oftmals recht eintönige Tätigkeitenverrichten. «Das betriebswirtschaftliche Erlebnis ist verlorengegangen», beklagt sich der Deutschland-Chef einer der «Big Four».