EU-Erweiterung und Wettbewerb EU-Erweiterung und Wettbewerb: Billig-Brötchen aus Tschechien ärgern Bäcker in Sachsen
Chemnitz/MZ. - Vor der Backfiliale in der Chemnitzer Zentrum stehen die Kunden Schlange. "Das ist ja fast wie in der DDR", stöhnt eine der Wartenden. Mit einem blauen Dederon-Beutel hat sie sich in die Schlange eingereiht. Damals beherbergte der Laden den Intershop, seit August hat sich unter dem strengen Blick von Marx´ "Nischl" die Firma Japek, die größte tschechische Industriebäckerei aus dem nordböhmischen Litvínov (Leutensdorf), eingemietet.
Und Japek kommt nicht allein. Tschechische Bäcker drängen immer stärker auf den sächsischen Markt. In Radeberg und Pirna betreibt eine Bäckerei mit Sitz in Usti nad Labem (Aussig) eine Filiale, zwei weitere sind in Dresden geplant. In Freital war bis vor kurzem ebenfalls ein Bäcker aus Tschechien präsent. Die Firmen nutzen das Recht auf Freizügigkeit, das ihnen mit der EU-Mitgliedschaft Tschechiens zusteht.
Da die Bäcker aus dem Nachbarland deutlich weniger für Rohstoffe und Lohnkosten ausgeben, zahlen Kunden bei Japek für ein Hörnchen auch nur neun Cent, ein Brot kostet 1,20 Euro. Preise, die die Chemnitzer Bäcker schockieren, denn sie müssen dreimal so teuer verkaufen, um ihre Kosten zu decken. "Kurz nach der Eröffnung kam ein Mann in den Laden und hat rumgepöbelt, der wurde sicher geschickt", erinnert sich Margitta Müller. Die 56-Jährige leitet die Filiale. Mit zwei Kolleginnen wurde sie bei Japek eingestellt - für 5,80 Euro die Stunde. Die Jobs hat das Arbeitsamt vermittelt. "Es ist schon komisch", sinniert die gelernte Textilarbeiterin, "damals ist mein Job in die Tschechei gegangen, nun stellen die mich ein."
Jeden Morgen um sechs Uhr bringt ein Bote Hörnchen, Brote und "süße Stückchen" aus der gut 70 Kilometer entfernten Großbäckerei. Die Ware geht weg, ja, wie warme Semmeln halt. Kaum ein Kunde verlässt den Laden mit weniger als zwei voll gepackten Beuteln. Seit einer Woche muss der Bote zwei Mal täglich liefern - an Frau Müller und zwei weitere Filialen. Insgesamt sollen es einmal fünf werden.
Die Filiale eines Chemnitzer Bäckers hundert Meter weiter hat bereits dicht gemacht. Ohnehin in schlechter Lage, habe der Tscheche den Rest gegeben, heißt es aus der Inhaberfamilie. Die Chemnitzer Bäcker sind in Aufruhr. Während bei Margitta Müller die Brötchen beutelweise über die Ladentheke wandern, beraten die Mitglieder der Chemnitzer Bäckerinnung, was von der Konkurrenz zu halten ist. Wolfgang Meyer, Innungschef und Vorsitzender der FDP-Fraktion im Stadtrat, bezeichnet den "Tschechenbäcker" als eine Klippe, die es zu umschiffen gelte. Die anwesenden Innungskollegen nicken. Doch keiner weiß, wie das mit dem Umschiffen funktionieren soll. Die Ängste sind diffus.
Bisher, so Bäckermeister Ralf Zimmermann, habe es nur eine Filiale getroffen. "Aber was, wenn der einem seine Billig-Läden direkt vor ein Hauptgeschäft setzt?" Meyer will Hoffnung zu verbreiten. Ein Bauarbeiter habe ihm erzählt, dass die Brötchen bei Japek nur sechs Cent kosten. "Aber geschmeckt hätten die wie Stein", ruft Meyer in die Runde. Zustimmendes Grummeln, na also, irgendwas kann ja nicht stimmen - mit den Brötchen aus dem Nachbarland. In der Japek-Filiale ist Konstatin Wowra anderer Meinung. "Vor allem beim Kuchen sind die Tschechen unschlagbar, da können sich die Bäcker hier verstecken", meint der 73-Jährige, der von seiner Frau zum Brotkauf geschickt wurde. Die Schlange lässt sich nicht nur mit dem Preis erklären.