Ethikrat empfiehlt mehrheitlich Änderung des Stammzellgesetzes
Berlin/dpa. - Der Nationale Ethikrat hat mehrheitlich eine Abschaffung der Stichtagsregelung im Stammzellgesetz gefordert. Bislang dürfen embryonale Stammzellen aus dem Ausland nur importiert und in der Forschung verwendet werden, die im Herkunftsland vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden.
Der Rat teilte am Montag in Berlin mit, dass 14 der 24 Mitglieder dafür plädiert hätten, die Stichtagsregelung durch eine Einzelfallprüfung für den Import embryonaler Stammzellen zu ersetzen.
Werde der starre Stichtag nicht geändert, gerate die Wissenschaft hoffnungslos ins Abseits, warnte der Sprecher der Ratsmehrheit, der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier. Auch die Strafvorschriften müssten aufgehoben werden. Deutsche Experten können sich strafbar machen, wenn sie sich im Ausland an Projekten beteiligen, bei denen frischere Embryonen-Zellen verwendet werden, mit denen nach deutschem Recht nicht experimentiert werden darf.
Nach Ansicht der 14 Experten soll Forschern künftig zudem erlaubt werden, Zellen auch für Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu nutzen. Noch sei die Forschung wahrscheinlich meilenweit von einem therapeutischen Einsatz entfernt. Eine generelle Nutzungsbeschränkung leuchte jedoch nicht ein, sagte Dreier.
Die Deutsche Bischofskonferenz warnte vor einer Aufweichung des Embryonenschutzes. «Die Förderung selbst hochrangiger Forschungsinteressen darf unter keinen Umständen dazu führen, dass embryonale Menschen verzweckt werden. Man darf nicht den Lebensschutz der Forschungsfreiheit unterordnen», sagte der Sekretär der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, laut einer Mitteilung.
Neun Mitglieder des Ethikrates lehnten eine Änderung des Gesetzes ab. Die mit der Aufhebung der Stichtagsregelung und der Erweiterung der Nutzungszwecke einhergehende Aushöhlung des ethisch-moralischen Fundaments des Stammzellgesetzes ist bei fortbestehender Gültigkeit des Embryonenschutzgesetzes ethisch widersprüchlich und in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln, hieß es in der Ratsmitteilung.
Der Bundestag hatte 2002 mit breiter Mehrheit das Stammzellgesetz verabschiedet. Für eine Änderung macht sich die FDP stark. Die Grünen lehnen eine Lockerung des Stichtags ab. Aus SPD und Union kommen unterschiedliche Signale. Die FDP-Expertin Ulrike Flach sagte, die vom Ethikrat angeregte Einzelfallprüfung dürfe nicht «der politischen Willkür unterliegen, sondern muss sich streng an fachliche Kriterien halten». Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) begrüßte im Grundsatz die Stellungnahme des Ethikrates.
Die Grünen-Politikerin Priska Hinz warf dem Ethikrat einen «ruhmlosen Abschied» vor. Es sei unverständlich, warum das Gremium in aller Eile eine zweigeteilte Position vorlege, «anstatt dem neuen Deutschen Ethikrat die ernsthafte Auseinandersetzung darüber zu überlassen». Der Deutsche Ethikrat löst den noch vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2001 eingesetzten Nationalen Ethikrat ab.