Erfolgsgeschichte Erfolgsgeschichte: Star im Schottenrock
Halle/MZ. - Dirk Bolmerg hat keine Zeit, dem Rasen auf der Bundesstraße hinterherzuschauen. Der Inhaber der Discount-Kette Mäc-Geiz sitzt in der zweiten Etage seiner Firmenzentrale im Saalekreisörtchen Landsberg, draußen versinkt die Sonne hinter der Silhouette der Gewerbebauten. Shanghai ist am Telefon.
Bolmerg, ein großer Mann in Anzug und offenem Hemd, ist auf dem Sprung nach Asien. "Lieferanten besuchen", sagt er. Und mit den Leuten aus seinem Büro reden, die in der chinesischen Millionenstadt an der vordersten Ladenfront der mitteldeutschen Discountkette stehen. Aus China kommen die Kugelschreiber, die Tortenringe, Schuhlöffel und die meisten der anderen über das Jahr wechselnden 10 000 Artikel, denen der 46-Jährige seinen Erfolg verdankt.
Mäc-Geiz, vor 15 Jahren in Halle gegründet, ist heute ein Millionenunternehmen mit über 260 Filialen, 1 700 Mitarbeitern, Großlagern und einem Logistikzentrum. Eine eigene Lkw-Flotille fährt Nacht für Nacht Nachschub vom Shampoo über das Hundefutter bis zum Klebestift in die Läden. Tausend kleine Dinge hieß das in der DDR. Aber an tausend kleine Dinge hat Bolmerg am Anfang gar nicht gedacht. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann sammelte der gebürtige Westfale internationale Erfahrungen im Bankwesen und bei Groß- und Einzelhandelsunternehmen. Irgendwann sollte ein Betriebswirtschaftsstudium folgen. Dann aber fiel die Mauer. Die Menschen aus dem Osten strömten in den Westen. Und Dirk Bolmerg ging den umgekehrten Weg.
"Wir haben damals aufgekauft, was keinen mehr interessierte", erinnert er sich an die ersten Monate in Halle, wohin es ihn verschlug, "weil wir hier Bekannte hatten, bei denen wir wohnen konnten". Die Warenbestände der volkseigenen Betriebe lagen seinerzeit wie Blei in den Lagern. Die ganze DDR wollte Westware. Der Gewinn eines Geschäfts aber liegt im Einkauf - Bolmerg musste nicht Betriebswirtschaft studieren, um das zu wissen. Als die Konsumgenossenschaft in der Saalestadt wenig später ihre "Kondi"-Discountmärkte gründet, ist Dirk Bolmerg schon ein Profi in diesem Metier. "Wir haben dann für Kondi die gesamte Aktionsartikelstrecke abgewickelt."
Aktionsartikel sind im Einzelhandels-Sprech die Dinge, die es ganz günstig gibt, danach aber gleich nicht mehr. "Posten" kommen schnell rein und sind auf schnell raus kalkuliert, denn je weniger Zeit eine Ware von der Fabrik bis zur Kasse braucht, umso besser für den Händler. Das ist dann auch schon die Idee von Mäc-Geiz: "Ein einfaches, überschaubares Sortiment, geordnet in sieben Preisgruppen", sagt Dirk Bolmerg, "das hilft dem Kunden, eine schnelle Kaufentscheidung zu treffen." Die wiederum hilft dem Verkäufer, die Kosten im Griff zu halten.
Den Namen "Mäc-Geiz" hätten sie sich damals an einem geselligen Abend ausgedacht, lacht Bolmerg, der viele Jahre Tennis gespielt hat und heute auf eine eher gelassene als durchtrainierte Michael-Stich-Art sportlich wirkt. Der erste Laden in Halle-Beesen wurde von den Kunden förmlich gestürmt. Bald kam der zweite, der dritte. Geiz war Trend und in Bolmergs Filialen überhaupt nicht mehr so schmuddelig wie bei Rudis Resterampe. Werner Metzen, der mit seinem "Metzen-Markt" Anfang der 90er Furore machte, gilt Bolmerg nicht als Vorbild, sondern als abschreckendes Beispiel. "Metzen war kein Kaufmann, sondern ein Spektakel", sagt er, "das wollten wir nie sein." Mäc-Geiz, auch nach 15 Jahren noch eine "Aufgabe, die mir Spaß macht" (Bolmerg), hat einen Plan. Alle Artikel, anfangs 800, heute mehr als 3 500, sind ordentlich ins selbst entwickelte Körbchensystem sortiert. Alle Preisgruppen "transparent und nachvollziehbar" (Bolmerg), das Sortiment familienfreundlich.
So wird sich die Zielgruppe aus "Mutter, Oma, Kind" weder verirren noch verschaukelt fühlen. "Bedarf entsteht ja über den Preis", weiß Dirk Bolmerg, dass zwischen "Brauchen" und "Brauchen" Zahlen liegen. Für zehn Euro brauchen nur wenige eine neue Kuchenform, weil die alte noch gut ist. Aber für fünf Euro? Oder für zwei?
"Schotten sind Verschwender, wir nicht!" hat Bolmerg als Firmenslogan zur Geburtsstunde ausgegeben. Heute präsentiert sich Mäc-Geiz als das "clevere Warenhaus": Wie das Ursprungskonzept mit den sieben Warengruppen hält auch das Firmenmotto schon Jahre im schnelllebigen Discountgeschäft. Dafür steht auch der Sympathieträger der Ladenkette: Ein Schotte, der niedrige Preise ankündigt und dann mit Qualität überrascht.
"Die Feinheiten wachsen im Laufe der Jahre", sagt Bolmerg, "aber grundsätzlich ist die Firmenphilosophie dieselbe geblieben." Günstig einkaufen, aber auf die Qualität achten. "Sonst kommen die Leute nicht wieder". Schnell umschlagen - eine Herausforderung bei allein sechs Wochen, die eine Lieferung per Schiff aus Asien braucht. Und dann in guten Lagen günstig anbieten, "weil unsere Kunden eher nicht auf die grüne Wiese fahren."
Es ist ein täglicher Kampf, den der Vater von drei Kindern im Alter von zwei, vier und sechs Jahren vom Schreibtisch neben der Bundesstraße führt. "Wir haben Wettbewerb an allen Ecken und Enden hier in Deutschland", beschreibt Bolmerg, "das drückt die Preise auf ein Niveau, das es sonst nirgends auf der Welt gibt." Wer nicht ständig in seine Logistik investiert, Lieferketten strafft und Millionen in Computerprogramme steckt, bleibt auf der Strecke. Dirk Bolmerg, mit der Firma aus Halle in den Saalekreis gezogen und privat der Familie zuliebe inzwischen Leipziger, sieht sich und seine Schotten-Shops gewappnet. Mäc-Geiz ist längst ein Hightech-Konzern mit eigenem Rechenzentrum, das Warenströme global steuert. Auch über Mitteldeutschland ist die Ostgründung hinausgewachsen. Fast die Hälfte aller Läden steht heute in den alten Bundesländern. Das Ende ist das nicht, denn eigentlich ist das ja nicht mal der Anfang. 200 Läden gab es letztes Jahr, 260 sind es derzeit. Jede Woche kommt einer dazu. Dirk Bolmerg lächelt, und das sieht vorsichtiger aus als es ist: "Ich glaube, 1 200 Filialen würde das Konzept schon vertragen."