Erdöl Erdöl: OPEC-Länder kündigen höhere Fördermengen an

Beirut/Wien/dpa. - Die internationalen Ölmärkte zeigten sich von der OPEC-Linie indesunbeeindruckt. Die Notierungen für Rohöl verharrten nahezu auf ihremSpitzenniveau: An der New Yorker Warenterminbörse Nymex gab es amMittwoch lediglich einen leichten Rückgang auf 41,86 Dollar proBarrel (159 Liter), nachdem der Preis am Vortag um 6 Prozent auf42,33 Dollar geschossen war - der höchste Stand seit Einführung desNymex-Ölhandels 1983. In London wurde Brent-Nordseeöl an derInternational Petroleum Exchange (IPE) mit 38,84 Dollar gehandelt,nachdem dort am Dienstag mit 39,08 Dollar der höchste Stand seitOktober 1990 verbucht worden war. Nach Einschätzung von Expertenspiegelt der Ölpreis derzeit eine «Terrorprämie» von bis zu 10 Dollarje Barrel wider.
Unterdessen wächst in Europa, aber auch bei den OPEC-Produzentenselbst die Sorge vor einer Konjunkturdelle in Folge der hohenÖlpreise. Die EU-Finanzminister forderten die OPEC indirekt zurErhöhung der Fördermengen auf. Es sollte ein «angemessenes Angebot»bereitgestellt werden, sagte der amtierende Vorsitzende der EU-Finanzministerrunde, die irische Ressortchef Charlie McCreevy, inLuxemburg. Damit könnten die Ölpreise mit einem stabilen Wachstum derWeltwirtschaft vereinbar bleiben. Sein deutscher Kollege Hans Eichelwarnte allerdings vor übertriebenen Reaktionen: «Zur Panikmachebesteht kein Anlass.»
Daher wollen die EU-Staaten auch nicht mit nationalen Alleingängenauf die Krise reagieren. «Die Erfahrung des Jahres 2000 hat schlechteErinnerungen hinterlassen», sagte der französische Wirtschafts- undFinanzminister Nicolas Sarkozy. Vor vier Jahren hatten mehrereLänder, darunter Frankreich, der heimischen Lkw-Transportbranche ohnevorherige EU-Absprache mit Steuererleichterungen unter die Armegegriffen.
Der saudi-arabische Ölminister Ali al-Naimi, der eine deutlicheAufstockung der OPEC-Förderquote verlangt, erinnerte am Mittwoch an1997/98, als eine weltweite Konjunkturkrise den Ölpreis zeitweiseunter 10 Dollar gedrückt habe. Nach Einschätzung des Ölministers vonKatar, Abdullah ibn Hamad al-Attiya, sind die Möglichkeiten der OPEC,den Weltmarktpreis zu drücken, allerdings begrenzt. Eine Erhöhung derFördermenge werde den Trend auf den Weltölmärkten nicht umkehrenkönnen. «Ich bin mir sicher, dass die Panik auf Grund der Anschlägein der Ölstadt Chobar hinter dem starken Anstieg der Ölpreise steht»,sagte der Minister dem arabischen Fernsehsender el Dschasira. «Wirwollen ein Signal geben, aber gegen Panik und Spekulation kann mannichts ausrichten.»
Nach Angaben Ardebilis sollen bei den Entscheidungen der Konferenzauch die Auswirkungen auf das Weltwirtschaftswachstum berücksichtigtwerden. Ardebili betonte, dass die Ölpreise auf den Weltmärkten inden vergangenen Wochen wegen der Raffinerie-Engpässe in den USA undMarktspekulation gestiegen seien. Gegenwärtig liege die OPEC-Produktion mit rund 25,5 Millionen Barrel (159 Liter) pro Tag um zweiMillionen Barrel über der Ende März festgelegten Obergrenze. Expertengehen davon aus, dass die Förderkapazität der OPEC gegenwärtig beimaximal 29 Millionen Barrel täglich liegt. Da die meisten OPEC-Länderaber ohnehin schon weit mehr fördern als ihre offiziellen Quoten,sind kaum noch weitere Kapazitäten vorhanden. Saudi-Arabien ist miteinem Spielraum von rund 1,5 Millionen Barrel pro Tag dasSchlüsselland.
Die Ölpreise bedeuten nach Einschätzung von WestLB-ChefvolkswirtUlrich Hombrecher noch keine Gefahr für die Konjunktur. Selbst wennder Ölpreis über Monate auf dem aktuellen Niveau bleibe, «bekommenwir einen Dämpfer von 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten desBruttoinlandsprodukts», sagte er dem «Handelsblatt». Steigt der Preisallerdings weiter und nachhaltig über das aktuelle Niveau hinaus,«haben wir ein riesiges Problem».
Auch der Chef der «Wirtschaftsweisen», Wolfgang Wiegard, warntevor Hysterie. Der «Berliner Zeitung» sagte er, als Faustregel gelte,dass ein Anstieg des Ölpreises um zehn Dollar pro Barrel über vierQuartale das Preisniveau in den beiden folgenden Jahren um etwa einenhalben Prozentpunkt anhebt. Der Konsum würde in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils um etwa 0,3 Prozentpunkte und dieAusrüstungsinvestitionen um jeweils etwa 0,4 Prozentpunktesinken. Im Hinblick auf das Bruttoinlandsprodukt würde das pro Jahretwa einen Viertelprozentpunkt ausmachen.