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Energiegewinnung Energiegewinnung: Immer mehr Öl aus der Ostsee

Von Thoralf Plath 02.08.2005, 06:08
Eine Ölplattform in der Ostsee, 22 Kilometer vom Kurshskaya Spit National Park (auf deutsch: Nationalpark Kurische Nehrung; in der Region Kaliningrad, früher Königsberg) entfernt (Foto: dpa)
Eine Ölplattform in der Ostsee, 22 Kilometer vom Kurshskaya Spit National Park (auf deutsch: Nationalpark Kurische Nehrung; in der Region Kaliningrad, früher Königsberg) entfernt (Foto: dpa) ITAR-TASS

Kaliningrad/dpa. - Vor der Küste Kaliningrads, dem einstigenKönigsberg, weitet sich der Konflikt zwischen Ölindustrie undUmweltschützern aus. Der derzeit größte russische Ölkonzern Lukoilwill die Fördermenge seiner umstrittenen Ostsee-Bohrinsel D-6 indiesem Jahr erstmals auf maximal mögliche 650 000 Tonnen hochfahren.Russische und litauische Ökologen warnen vor der Gefahr einerÖlkatastrophe, die eine einzigartige Ostseelandschaft beträfe: denNationalpark Kurische Nehrung, Teil des UNESCO-Weltnaturerbes.

Die D-6-Plattform, 22 Kilometer vor der Kurischen Nehrung nahe derrussisch-litauischen Grenze im Meeresboden verankert, ist erst seiteineinhalb Jahren in Betrieb. Bislang arbeitete man auf Sparflamme,weil das technische System des Weitertransports noch nicht fertigwar. Insgesamt lagern in dem seit 1983 bekannten Vorkommen«Krawzowskoje» auf dem Festlandsockel 21,5 Millionen Tonnen desschwarzen Goldes. Mit der anvisierten Förderleistung soll die Blaseunter dem Meeresgrund für 30 Jahre reichen.

Das Offshore-Öl wird von der Bohrinsel über eine 47 Kilometerlange Pipeline in ein Umschlag-Terminal bei Swetly (Zimmerbude) amFrischen Haff gepumpt. Anfang Februar legte in Swetly der erste20 000-Tonnen-Tanker an. Das gesamte in Moskaus Ostsee-Provinzgeförderte Rohöl wird exportiert, es gilt als extrem rein und vonhoher Qualität. Lukoil prüft den Bau einer eigenen Raffinerie beiKaliningrad.

Ökologen schlagen angesichts der beschleunigten Ölförderung in derOstsee Alarm. «Eine Ölpest im Baltikum ist nur noch eine Frage derZeit», warnt Alexandra Koroljowa von der KaliningraderUmweltschutzorganisation Ecodefence. Bei einem Unfall auf D-6 siehtdie Biologin vor allem den Nationalpark Kurische Nehrung in Gefahr.

Die Kurische Nehrung ist eine hundert Kilometer lange, nur wenigehundert Meter schmale Landzunge, die wie eine riesige Sichel inweitem Bogen zwischen der zu Kaliningrad gehörenden Halbinsel Samlandund dem litauischen Klaipeda (Memel) durch die Ostsee verläuft. Siegilt mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna und bis zu 70 Meterhohen Wanderdünen als eine der schönsten und sensibelstenKüstenlandschaften Europas und steht seit 2000 auf der Liste desUNESCO-Weltnaturerbes.

Wegen der vorherrschenden Westwinde und Strömungen würde dieNehrung bei einem Unfall auf der in Sichtweite am Horizont liegendenBohrinsel wie ein Sammelbecken wirken. Schlimme Folgen hätte eineÖlpest aber auch für den Tourismus, der an der litauischen Küsteblüht und sich allmählich auch in den russischen Ostsee-KurortenSelenogradsk (Cranz) und Swetlogorsk (Rauschen) entwickelt.

Die örtliche Verwaltung teilte die Befürchtungen der Ökologennicht. Lukoil ist ein wichtiger Steuerzahler in der Region, den manhalten will. Der Konzern verweist auf hohe Sicherheitsstandards. AufD-6 sei die modernste Technik installiert, die es derzeit in Europaauf Bohrinseln gebe. «D-6 ist sicher, gegen einen Orkan mit zehnMeter hohen Wellen genauso wie gegen Erdbeben. Wir haben dafür alleZertifikate», betont der Konzernchef Wagit Alekperow.

Die Küstenbewohner bleiben trotzdem skeptisch. Als ein Ölteppichan die Kaliningrader Bernsteinküste trieb, in dem hunderte Eisentenmit verklebtem Gefieder verendeten, hatte fast jeder D-6 in Verdacht.Doch die Untersuchungen entlasteten Lukoil. Das Öl war offensichtlichvon einem vorbeifahrenden Schiff abgelassen worden.