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Energie Energie: Starke Lobby für Braunkohle

Von Steffen Höhne 27.02.2012, 19:21

Leuna/MZ. - Sieben abgeschaltete Atomkraftwerke und eisige Temperaturen führten die deutsche Stromversorgung im Februar kurzzeitig an die Belastungsgrenze. Die Braunkohlekraftwerke profitierten und liefen auf Hochtouren. "Die Versorgungsengpässe, die es in diesem Winter bei der Gasversorgung gab, zeigen, wie wertvoll unsere heimische Braunkohle ist", sagt Reiner Haseloff (CDU). Für Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten ist dies nur ein Vorgeschmack auf kommende Herausforderungen. Die ostdeutschen Kohleförderländer halten die Braunkohle daher für unverzichtbar. "Die deutsche Energiewende gelingt nicht ohne Braunkohle", ist die Botschaft des Braunkohlegipfels der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der am Montag in Leuna (Saalekreis) stattfand.

Nach Ansicht von Haseloff können die Kosten der Energiewende mit der Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke bis 2022 nur dann erträglich gestaltet werden, wenn auch in den nächsten Jahrzehnten im Energiemix die subventionsfreie Braunkohle mit einbezogen werde. Vor allem die Industrie sei auf günstigen Strom angewiesen. Zum Vergleich: Ein Kohlekraftwerk produziert eine Kilowattstunde für etwa vier Cent - ein Windrad für acht bis 15 Cent.

Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) verwies darauf, dass Kohle anders als Wind und Sonne kontinuierlich Energie liefert. "Dies ist für die Sicherheit der Versorgung unerlässlich." Der Europachef des Energiekonzerns Vattenfall, Tuomo Hatakka, machte dies an einem Beispiel deutlich: "Wenn durchschnittlich 40 Prozent des produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, bedeutet dies riesige Schwankungen im Netz." Es gebe dann Zeiten, in denen 80 Prozent alternative Energien eingespeist würden, aber auch Zeiten mit nur zehn Prozent. Das gesamte Versorgungssystem müsse umgebaut werden. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) fordert daher eine sogenannte Systemintegration der erneuerbaren Energien. Solange es nicht durch neue Speichertechnologien möglich sei, aus Wind und Sonne kontinuierlich Strom bereitzustellen, solange werde Braunkohle benötigt.

Doch noch ist unklar, ob sich die Kohleverstromung langfristig rechnet. Denn bei der Verbrennung wird deutlich mehr klimaschädliches Kohlendioxid frei als etwa bei Erdgas. Verschärft die EU ihre Klimaschutzziele, müssen deutsche Kraftwerksbetreiber teuer Verschmutzungsrechte hinzukaufen. EU-Kommissar Oettinger soll sich nun nach Wünschen der Ministerpräsidenten in Brüssel für die deutsche Braunkohle stark machen. Denn die Stromlücke in Deutschland könnte auch durch französischen oder tschechischen Atomstrom geschlossen werden.

Umweltschützer und die bündnisgrünen Landtagsfraktionen von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt werfen den drei Landesregierungen vor, sie führten ein Rückzugsgefecht für eine überkommene Technologie. Sie sehen durch die Kohle die klimapolitischen Ziele gefährdet und sprechen sich für umweltfreundlichere Gaskraftwerke aus. Und auch in der Bevölkerung ist die Kohle unbeliebt. Laut einer TNS-Infratest-Umfrage wollen nur neun Prozent der Deutschen ein Kohlekraftwerk in ihrer Umgebung. Allerdings: Menschen, die seit Jahren in der Nähe eines Kohlekraftwerks leben, befürworten diese zu 38 Prozent.