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Energie Energie: Das Benzin kommt bald vom Acker

Von Arno Schütze 29.06.2004, 05:50
Die Laborantin Peggy Lindemann von der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt zeigt symbolisch ein Glas mit Roggenkörnern und ein Glas mit Bioethanol (Foto vom 21.06.2004: dpa).
Die Laborantin Peggy Lindemann von der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt zeigt symbolisch ein Glas mit Roggenkörnern und ein Glas mit Bioethanol (Foto vom 21.06.2004: dpa). dpa

Zörbig/dpa. - Benzin soll künftig nicht nur aus Erdölquellenstammen, sondern auch von ostdeutschen Äckern. So will es diePolitik. Drei in Bau befindliche industrielle Großanlagen inOstdeutschland werden in Kürze den aus Getreide produzierten Rohstoffdafür liefern: Alkohol. Im Fachjargon heißt der Bioethanol. Inverarbeiteter Form verbrennt er optimal im Motor. «Schon Ende desJahres werden Autofahrer in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an unseren Tankstellen Super-Benzin mit fünf-prozentigenETBE-Anteil (Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether) aus Bioethanol tankenkönnen», sagt Shell-Sprecher Rainer Winzenried.

Der Ölkonzern ist an einer Raffinerie im brandenburgischen Schwedtbeteiligt, auf deren Gelände die Nordbrandenburger Bioenergie GmbHderzeit eine Alkohol-Fabrik baut. Auch Aral und BP haben Pläne fürden Einsatz von Bio-Komponenten in ihren Otto-Kraftstoffen. DieRahmenbedingungen für die Produzenten sind gut. «Eine EU-Richtliniesieht vor, dass 5,75 Prozent der Kraftstoffe bis 2010 ausnachwachsenden Rohstoffen bestehen sollen», erklärt derGeschäftsführer des Bundesverbandes Bioenergie mit Sitz in Bonn,Bernd Geisen. In Deutschland sind beigemischte Biokomponenten wieAlkohol seit Jahresbeginn von der Mineralölsteuer befreit. Mit einemZoll schützt sich die EU vor Billigimporten etwa aus Brasilien, wodas Benzin schon seit langem mit Ethanol aus Zuckerrohr versetztwird.

Für Bauern eröffnen sich neue Absatzmöglichkeiten. «DieBioethanol-Fabriken brauchen Massengetreide», erklärt Armin Vettervon der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. «Der Anbau isteinfacher. Es muss weniger gedüngt werden, da Getreide für dieVergärung so wenig Protein wie möglich enthalten soll.» Die in Baubefindlichen Bioethanol-Werke in Zörbig, Zeitz (beide Sachsen-Anhalt)und Schwedt wollen pro Jahr nach eigenen Angaben insgesamt über 1,5Millionen Tonnen Getreide zu rund einer halben Million Tonnenindustriellem Alkohol verarbeiten. «Sämtliches Getreide kaufen wiraus der Region», sagt Michael Kuhn von der Mitteldeutschen BioenergieGmbH in Zörbig.

Die Herstellung von Alkohol für den Tank unterscheidet sich kaumvon der Produktion für das Schnapsglas. «Es ist etwas einfacher, weilman nicht auf den Geschmack achten muss», sagt Thomas Senn vomInstitut für Gärungstechnologie an der Universität Hohenheim. EinenUnterschied gibt es allerdings. Beim herkömmlichen Schnapsbrennenverdampft immer auch Wasser, weshalb das Destillat höchstens 95,6Prozent Alkohol enthält. Für das Auto muss es mehr sein. Mitchemischen Zusätzen oder mit keramischen Granulaten, die das Wasserbinden oder aufsaugen, wird der Alkoholanteil auf 99,8 Prozenterhöht.

Eine spezielle Technik, die das Konzentrations-Verfahrenvereinfacht und den Energieverbrauch um bis zu 25 Prozent reduziert,wurde nun in Thüringen entwickelt. «Mit Druck wird ein 90-prozentiges Destillat durch Rohre gepresst, an deren Innenseite sogenannte Zeolith-Membranen sitzen», erklärt die Geschäftsführerin desHermsdorfer Instituts für Technische Keramik Bärbel Voigtsberger.«Die Poren sind so klein, dass sie nur das Wasser passieren lassen,aus dem Rohrende tropft reiner Alkohol.»

Experten erwarten, dass alkoholhaltiger Sprit schon bald den ausRaps gewonnen Biodiesel an den Tankstellen abhängt. «Drei Viertel desKraftstoffmarkts entfällt auf Benzin», sagt Verbandssprecher Geisen.Der Anbau von Getreide sei für viele Landwirte attraktiver als derRapsanbau. Bei der Produktion des Biosprits könnte Ostdeutschlandlangfristig wegen der großflächig strukturierten Landwirtschaft undder Fördermittel für Industrieansiedlungen die Nase vorn behalten.Rund ein Dutzend weitere Bioethanol-Anlagen sind geplant - alle inden neuen Bundesländern.