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Enders leitet Airbus, Gallois wird alleiniger EADS-Chef

16.07.2007, 21:01

Toulouse/dpa. - Deutschland und Frankreich sind sich nach langem Tauziehen einig: Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS bekommt eine neue, klare Führungsstruktur. Die seit Jahren umstrittene Doppelspitze im Management der Airbus-Muttergesellschaft wird abgeschafft, teilte EADS mit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lobten den Kompromiss als ausbalanciert. Merkel zeigte sich «sehr zufrieden»: «Es ist eine gerechte, ausbalancierte Führungsstruktur, die effizient arbeiten kann», sagte sie am Montag am Airbus-Stammsitz in Toulouse.

Künftig soll der Deutsche Thomas Enders die Flugzeugtochter Airbus lenken. Im Gegenzug wird die Führung des EADS-Konzerns allein in die Hände des Franzosen Louis Gallois gelegt. Gallois war bisher neben Enders Co-Chef von EADS sowie Airbus-Chef. Allerdings ist der Stellvertreter von Enders der Franzose Fabrice Brégier, der intern das Airbus-Sanierungsprogramm Power8 vorantreibt. Der frühere Eurocopter-Chef gilt als Elitemanager, war schon mehrfach als Airbus- Chef im Gespräch und könnte Enders später beerben.

Die Deutschen übernehmen der Vereinbarung zufolge zunächst auch die Spitze des mächtigen EADS-Verwaltungsrates. Das Kontrollgremium soll vom DaimlerChrysler-Manager Rüdiger Grube allein geführt werden. Er hatte sich den Posten bisher mit dem französischen Manager Arnaud Lagardère geteilt. Der Verwaltungsrat hat mehr Einfluss als ein deutscher Aufsichtsrat, da EADS eine Gesellschaft niederländischen Rechts (N.V.) ist.

«Das ist ein guter Tag für Airbus, ein guter Tag für EADS», sagte Merkel. Noch im Herbst wollen Berlin und Paris über den ebenfalls umstrittenen Aktionärspakt reden. Der regelt die fein austarierte deutsch-französische Machtbalance bei EADS. Die neuen Strukturen sollen gegen Ende des Jahres umgesetzt werden. Nach fünf Jahren kann laut EADS in Betracht gezogen werden, die Postenverteilung zwischen Deutschen und Franzosen umzukehren. Das Rotationsprinzip zeige, dass die Lösung gerecht sei, sagte Merkel.

Der designierte Airbus-Chef Enders begrüßte die neue Führungsstruktur. «Das ist ein ganz wichtiger Schritt in Richtung einer normalen, effizienteren Firma», sagte Enders am Montagabend in der ARD. Er betonte, dass künftig bei wichtigen Fragen Einvernehmen in der neuen Unternehmensspitze herrschen müsse. Dazu zählten neben Gallois und ihm selbst auch Daimler-Manager Grube. Enders sagte, es gebe keinen Grund für Änderungen an dem Airbus-Sanierungsprogramm.

Sarkozy sprach von einem «großen Tag für die deutsch- französische Achse». DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche lobte die Einigung als «klare Lösung»: «Mit dieser effizienten Organisation kann die EADS alle anstehenden Herausforderungen erfolgreich bewältigen.»

Merkel und Sarkozy wollen den Flugzeugbauer Airbus für den Konkurrenzkampf mit dem US-Erzrivalen Boeing fit machen und eine erneute Krise wie vor einigen Monaten vermeiden. Dabei geht es auch um die finanzielle Ausstattung von Airbus für die Milliarden schwere Entwicklung neuer Flugzeuge. Berlin will zugleich verhindern, dass der Einfluss des französischen Staates auf EADS wächst. Paris hält derzeit direkt 15 Prozent der EADS-Anteile, die französische Mediengruppe Lagardère 7,5 Prozent. Für Deutschland hält DaimlerChrysler 15 Prozent, 7,5 Prozent gingen ohne Stimmrecht an ein überwiegend deutsches Konsortium aus Bundesländern und Banken.

Über eine Kapitalerhöhung wurde laut Merkel nicht gesprochen. Diese Frage sei vom Aktionärspakt zu trennen. Derzeit stehe sie «nicht auf der Tagesordnung». Es könne aber ein Problem «in den nächsten zwei bis drei Jahren auftreten». Ab 2010 fällt der Löwenanteil der zehn Milliarden Euro Ausgaben für den Airbus A350 an. Ein drohendes Ungleichgewicht bei einer Beteiligung des französischen Staates an einer Kapitalerhöhung sieht Merkel nicht als zwingend an. «DaimlerChrysler hat deutlich gemacht, dass sie (bei einer Kapitalerhöhung) mitgehen würden», sagte sie. In der Erklärung von DaimlerChrysler vom Montag hieß es, dass «die aktuelle Finanzsituation von EADS «solide und robust ist und dass heute keine Notwendigkeit für eine Kapitalzuführung in das Unternehmen besteht».

«Heute haben wir die Fragen der Führungsstrukturen und der Personen gelöst», sagte Sarkozy. «In drei Monaten» werde man «den Aktionärskreis und den Aktionärspakt» angehen. Insidern zufolge soll es dabei auch um die Schaffung einer «Goldenen Aktie» mit Vetorecht für Deutschland und Frankreich gehen. Eine Goldene Aktie würde das Streben Frankreichs nach Stimmrecht für seine 15-Prozent-Beteiligung überflüssig machen. Sie wäre eine sicherheitspolitische Garantie, aber kein Einfallstor für Industriepolitik. In der Branche wird vermutet, dass Paris von Lagardère das Aktienpaket übernimmt und dann mit 22,5 Prozent zum dominierenden Aktionär wird.

EADS wird im Zuge seiner Führungsreform seinen Verwaltungsrat um Unabhängige und gibt dem künftigen Chef Gallois größere Kompetenzen. Die Großaktionäre DaimlerChrysler und Sogeade (Lagardère und der französische Staat) treten danach jeweils einen Sitz in der Unternehmensführung ab. Gallois und sein Exekutivkomitee sollen fortan alleine über Investitionen bis 350 Millionen Euro entscheiden können.

Neben Aktionärspakt, Führungsstruktur und Kapitalausstattung muss EADS und seine kriselnde Flugzeugbau-Tochter Airbus das Sanierungsprogramm Power8 voranbringen. Es sieht den Abbau von 10 000 Verwaltungsstellen sowie den Verkauf von Werken bei Airbus vor. Aus Protest gegen diesen Verkauf übergaben Betriebsräte aus Varel am Montag in Hannover rund 24 000 Unterschriften an Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Die Airbus-Standorte Varel und Nordenham in Niedersachsen sowie Laupheim in Baden-Württemberg sollen im Rahmen des Airbus-Sparprogramms Power8 aus dem Konzern ausgegliedert werden.