Einzelhandel Einzelhandel: Bei Aldi Süd ist Mitbestimmung ausgesperrt
Frankfurt (Main)/MZ. - Für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist es höchste Zeit, die Arbeitsbedingungen bei Aldi-Süd genauer unter die Lupe zu nehmen. "Es ist dringend nötig, dass mehr Licht ins Dunkel gebracht wird", sagte Bernhard Schiederig, Fachbereichsleiter Handel bei Verdi Hessen, der Mitteldeutschen Zeitung. Medienberichte über heimliche Videoüberwachung und Schikanen gegen Beschäftigte haben in den Augen des Gewerkschafters eine gemeinsame Ursache. "Es mangelt bei Aldi massiv an Mitbestimmung der Arbeitnehmer." Aldi-Süd machte auf Anfrage keine genauen Angaben über die Zahl der Arbeitnehmervertretungen im Teil-Konzern. "Betriebsräte sind in unserer Unternehmensgruppe nur ausnahmsweise vertreten", teilte eine Sprecherin lediglich mit.
Verdi jedenfalls ist es bei Aldi-Süd in Hessen bislang nicht gelungen, Betriebsräte zu installieren. "Ich habe schon mehrfach versucht, Informationsmaterial an Beschäftigte zu verteilen. Doch die Aldi-Mitarbeiter dürfen offenbar selbst Flugblätter nicht annehmen", erläutert Schiederig. Er geht davon aus, dass es dem Management gelungen ist, eine "knallharte Disziplinierung der Belegschaft zu erreichen".
Aldi-Süd betreibt rund 1 800 Filialen in Süd- und Westdeutschland mit 31 700 Beschäftigten. Die Demarkationslinie zum zweiten Teil-Konzern des Discounter-Riesen verläuft in gerader Linie quer durch Mittelhessen, nördlich davon agiert Aldi-Nord. In Frankfurt und Umgebung gibt es etwa fünf Dutzend Geschäfte. Jeder Laden hat einen Filialleiter und einen Stellvertreter, hinzu kommen in der Regel zwischen vier und sechs Teilzeitbeschäftigte. In den Filialteams muss jeder alles machen: Ware der Lieferanten annehmen, die Artikel in die Regale einsortieren, an der Kasse arbeiten, und nach Ladenschluss wird aufgeräumt und geputzt. "Wenn es keine Betriebsräte gibt, entsteht Willkür", sagt Verdi-Experte Schiederig.
Gebe es Unruhe in einer Filiale, muss der Filialleiter laut Schiederig damit rechnen, in ein Geschäft mit weniger Umsatz versetzt zu werden. Das ist gleichbedeutend mit Gehaltskürzungen, denn die Filialleiter werden an den Umsätzen beteiligt. Mitarbeiter, die sich etwa über Arbeitszeiten beschwerten, müssten damit rechnen, als Störenfriede abgekanzelt zu werde.
Auch "Der Spiegel" hat berichtet, bei Aldi würden Beschäftigte mit Abmahnungen und anderen Repressalien unter Druck gesetzt. Laut Süddeutscher Zeitung wurden drei Beschäftigte einer Frankfurter Filiale daran gehindert, einen Betriebsrat zu gründen. Zwar gebe es inzwischen ein derartiges Gremium, es sei aber ausschließlich mit Filialleitern besetzt und stehe auf der Seite des Arbeitgebers.
Der Discounter teilt hierzu mit: "Die Einleitung einer Betriebsratswahl wurde und wird seitens der Unternehmensgruppe Aldi-Süd selbstverständlich nicht unterbunden." Innerbetriebliche Fragestellungen würden auf der Basis einer "zuverlässigen Gesprächskultur zwischen Mitarbeitern und Vorsetzten regelmäßig einvernehmlich gelöst".