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Einigung bei Gesundheitsreform Einigung bei Gesundheitsreform: Ein Sieg der Lobbyisten über die Patienten

Von Stefan Sauer 12.01.2007, 18:05

Berlin/MZ. - Kein Wort scheint den Spitzen der Regierungskoalition erhaben genug, um die Einigung auf die Gesundheitsreform zu charakterisieren: "Historisch", ein "Meilenstein", die "größte Gesundheitsreform".

In Wahrheit steht das Eigenlob in denkbar krassem Missverhältnis zum Ergebnis. Je näher die Koalitionsparteien einer Einigung kamen, desto sinnentleerter wurde die Reform. Die wenigen, noch im Entwurf enthaltenen Verbesserungen wurden abgeschwächt oder heraus verhandelt.

"Der Patient", angeblich stets "im Mittelpunkt" aller Reformbemühungen, hätte von sinkenden Arzneimittelpreisen profitieren können. Die bisherig geltenden Festpreise für verschreibungspflichtige Präparate sollten nämlich durch Höchstpreise ersetzt werden. Jede Apothekerin hätte entscheiden können, ob und wie deutlich sie die Preise senkt, um Kundschaft anzulocken.

Gemeinsam hätten Apotheken auf Medikamentengroßhändler Druck ausüben können, um Nachlässe zu erwirken. Pharmahersteller hätten sich genötigt gesehen, Rabatte zu gewähren. Ausgaben wären gesenkt, die Beitragszahler entlastet worden.

Dann aber hat die Union dafür gesorgt, dass es bei den Festpreisen bleibt - zum Wohle einzelner Berufsstände und Verbände, entgegen der Rhetorik für "mehr Wettbewerb und Effizienz".

Auch die Ärzteschaft betrieb erfolgreich Lobbyarbeit: Eigentlich hätten Mediziner in unterversorgten Regionen höhere Honorare als bisher erhalten sollen. Im Gegenzug sollten gut honorierte Ärzte in überversorgten Bereichen weniger verdienen. Somit steige der Anreiz, sich in ländlichen Gebiete der ostdeutschen Ländern niederzulassen, zugleich werde ein Überhang an Praxen abgebaut, hieß es in der Begründung des Reformentwurfs.

Besonders in Bayern und Baden-Württemberg schließen die Krankenkassen aber von jeher großzügige Vereinbarungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen ab. Die Mediziner im gut versorgten Süden hätten vermutlich ein wenig an die darbenden Kollegen in Finsterwalde und der Hocheifel abgeben müssen. Doch keine Sorge, die Sache ist vom Tisch. Die Landärzte im Nirgendwo erhalten zwar dennoch mehr als bisher, aber nicht auf Kosten der Stadtärzte. Wer die Sache finanziert? Der Patient! Man steht schließlich nicht kostenlos im Mittelpunkt.

Das Ausmaß des politischen Versagens wird erkennbar, wenn man die Reform an ihren Zielen misst. "Ein leistungsfähiges, solidarisches und demografiefestes Gesundheitswesen" sollte installiert, ein "fairer Wettbewerb" zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen geschaffen, die "nachhaltige Finanzierung" des Systems sicher gestellt werden. Eines entsprechenden Ergebnisses rühmt sich die Koalition dann doch nicht. Der größte Erfolg ist jetzt die "Versicherungspflicht für alle" (SPD) und der "Erhalt der Privaten Krankenversicherung" (Union). Das, mit Verlaub, hätten man binnen eines Monates hinbekommen können.