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Drogen Drogen: Brille simuliert Vollrausch

Von JULIA KLABUHN 02.02.2010, 17:47

WEISSENFELS/MZ. - Die Achtklässlerin musste jedoch keinen Schluck Alkohol trinken, um an dem Experiment teilzunehmen. Sie wurde mit einer "Rausch-Brille" ausgestattet. Durch deren Gläser wird das Sehen mit 1,3 Promille simuliert. Der Brillenträger sieht doppelt, der Fußboden scheint sich nach oben zu wölben. Studenten der Hochschule Merseburg haben die Brille zu den Projekttagen "Know Alkohol" (Alkohol kennen) an die Beuditzschule in Weißenfels mitgebracht. Drei Tage lang bearbeiten sie gemeinsam mit 80 Siebt- und Achtklässlern der Sekundarschule das Thema Alkoholkonsum und dessen Folgen.

"Wir wollen den Schülern den Alkohol nicht verbieten. Denn das klappt nicht", erklärt Isabel Wendt, die im ersten Semester Soziale Arbeit studiert. Die Schüler sollen aber lernen, sich durch Alkohol nicht in Gefahr zu bringen. "Es handelt sich nicht um ein Präventionsprojekt", betont auch Gundula Barsch. Die Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Merseburg betreut die 28 Studenten bei ihrem Vorhaben an der Beuditzschule. Als Wissenschaftlerin hat sie den Begriff der "Drogenmündigkeit" geprägt. Dabei geht es nicht um Verbote, sondern darum, den Umgang mit Drogen zu lernen, um die Gefahren zu mindern.

"Es gibt durchaus Kritiker dieses Ansatzes. Aber gerade beim Alkohol ist das Konzept sehr einsichtig - keiner würde ihn in unserer Kultur verbieten", sagt Barsch. Deshalb sei es wichtig, dass Kinder und Jugendliche wissen, was im Zusammenhang mit Alkohol akzeptabel ist und wann er gefährlich wird. Und das ist leider nicht selbstverständlich. "Wir hatten im vergangenen Jahr den Fall, dass eine Sechstklässlerin mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus musste", sagt Andrea Schwarzer, pädagogische Mitarbeiterin an der Beuditzschule. Dieser Vorfall habe den Anstoß gegeben, gemeinsam mit der Hochschule Merseburg das Aufklärungsprojekt zu initiieren.

Seit November sind die Studenten deshalb jeden zweiten Freitag an der Beuditzschule gewesen, um die drei Projekttage vorzubereiten. Das Ergebnis sind acht Stationen, die die Schüler in Gruppen besuchen. In der Turnhalle ist etwa ein Parcours aufgebaut, der mit "Rausch-Brille" bewältigt werden muss. "Die Schüler lernen hier, wie schwer es ist, sich im Alkoholrausch zu orientieren", sagt Fatima Märtig, die diese Station betreut.

Es sei wichtig zu vermitteln, dass die Jugendlichen nach einer Party nicht alleine nach Hause gehen, dass sie aufeinander achten und immer ein Handy für Notfälle mitnehmen. Und: Dass sie wissen, wie viel sie vertragen, und rechtzeitig aufhören zu trinken. "Die Alkopops sind dabei ein riesiges Problem", sagt Märten. Der Zucker und die Aromen übertünchten den Alkoholgeschmack, so dass viele Schüler die Gefahr unterschätzten.

Neben Aufklärung und Diskussionen über den eigenen Alkoholkonsum gibt es auch kreative Stationen. In einem der Klassenzimmer wummern HipHop-Bässe als Begleitung zu Songs über das Trinken; in einem anderen spielen die Schüler Improvisationstheater. Und nicht zuletzt gibt es auch die Erste-Hilfe-Station, an der die Studenten den Schülern beibringen, wie man im Notfall einem Betrunkenen helfen kann.

Bei der Vorbereitung des Projekts ließen sich die Studenten unter anderem von der Suchtpräventionsstelle des Saalekreises beraten, denn die meisten der Studenten sind gerade mal im ersten Semester. "Im Fachbereich Soziale Arbeit schicken wir die Studenten bewusst gleich zu Anfang in die Praxis", sagt Barsch. "Denn dahin wollen die meisten ja auch möglichst schnell." Anhand eines Projektes sollten sie die oft als trocken wahrgenommene Theorie schätzen lernen. "Sie sehen dann, wohin die Reise gehen wird und welche Hintergründe sie im Studium noch lernen müssen", erklärt Barsch. Es sei jedoch nicht einfach gewesen, das zeitaufwändige Projekt neben den anderen Seminaren zu bewältigen. "In der vorigen Woche haben aber die meisten von uns die Prüfungen gut geschafft", versichern die Studenten.