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Diskussion über Afghanistan-Einsatz

16.08.2007, 08:47

Berlin/dpa. - Nach dem Tod dreier deutscher Polizisten bei einem Terroranschlag in Kabul haben sich Politiker fast aller Parteien in Berlin entschlossen gezeigt, am Engagement in Afghanistan festzuhalten: «Es wäre falsch, die Diskussion in Deutschland über die Fortsetzung unseres Afghanistan-Einsatzes jetzt nur noch unter dem Licht dieser Anschläge zu führen".

Das sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU) der Oldenburger «Nordwest- Zeitung». "Das könnte bei den Tätern zu dem Eindruck führen, dass es nur noch weniger weiterer Anschläge bedürfe, damit Deutschland seine Haltung ändere. Das wäre geradezu eine Ermutigung, neue Anschläge zu verüben.", so Polenz.

Die drei Beamten starben, als sie am Mittwoch mit ihrem Fahrzeug auf einen Sprengsatz fuhren. Ein weiterer Beamter wurde verletzt. Die Polizisten waren zum Schutz der deutschen Botschaft eingesetzt. Es war der zweite Anschlag auf Deutsche in Afghanistan seit Ende Mai.

Unter den drei ermordeten Polizisten war nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung auch ein langjähriger Personenschützer von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der 31 Jahre alte Oberkommissar des Bundeskriminalamtes aus Nürnberg habe sich vorübergehend aus dem Kommando der Kanzlerin nach Afghanistan abgemeldet, berichtet das Blatt . Im Dezember habe er an Merkels Seite zurückkehren wollen. Der Beamte habe Merkel schon geschützt, als sie noch Unionsfraktionschefin im Bundestag gewesen sei.

Bei den beiden anderen getöteten Beamten handele es sich um einen 39-jährigen BKA-Polizeiobermeister aus Karlsruhe sowie einen 34- Jährigen aus Baden-Baden. Er habe der Eliteeinheit GSG 9 der Bundespolizei angehört. Der verletzte Polizist sei ein 35-jähriger Polizeiobermeister aus Hannover. Er sei von der Bundespolizei zum Bundeskriminalamt abkommandiert worden.

Unterdessen sagte der außenpolitische Sprecher der SPD, Gert Weisskirchen, im «Tagesspiegel»: «Afghanistan braucht ein Klima der Sicherheit, damit die Afghanen ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen können. Für jedes Mädchen, das in der Schule ohne Angst lernen kann, lohnt es sich, dass der Bundestag die dafür nötigen Mandate entscheidet.» Eckhart von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion sagte, gerade jetzt dürfe Deutschland «an unserer Entschlossenheit keinen Zweifel lassen». FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte: «Ein Abzug der Bundeswehr wäre jetzt verantwortungslos.»

Auch das Bundeskabinett unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erneut keinen Zweifel an der Fortsetzung der deutschen Missionen gelassen. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hofft angesichts der im Herbst anstehenden Entscheidungen im Bundestag über die Verlängerung der Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan auf eine Einigung. «Ich bin der Auffassung, dass alle drei Mandate bis zum heutigen Tag richtig waren», sagte er am Mittwoch bei einem Besuch des Bundeswehr- Sanitätskommandos in Weißenfels. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte, er sei ganz sicher, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben in Afghanistan auch weiter erfüllen werde.

Die Bundeswehr beteiligt sich mit bis zu 3000 Soldaten an der NATO-geführten ISAF-Mission und hat bis zu 100 Kräfte für die US-geführte Operation «Enduring freedom» (OEF) zugesagt, die zurzeit aber nicht im Einsatz sind. Außerdem beteiligt sich die Luftwaffe mit sechs Tornados an der Aufklärung.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine «grundlegende Überprüfung der Einsätze deutscher Polizisten in Krisengebieten und eine vollkommen neue Bewertung». GdP-Chef Konrad Freiberg sagte dem «Handelsblatt» (Donnerstag): «Die Sicherheitslage hat sich dramatisch geändert und es werden sich Anschläge und Entführungen häufen.» Ausbildung, Ausrüstung, Unterbringung und Betreuung der eingesetzten Polizisten müssten deutlich verbessert werden.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Winfried Nachtwei, sprach sich für den Ausbau der europäischen Polizei-Mission EUPOL in Afghanistan aus. «An dieser Notwendigkeit ändert sich auch durch diesen fürchterlichen Anschlag ganz und gar nichts», sagte Nachtwei «Netzeitung.de».