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Dioxinskandal Dioxinskandal: «Es hat uns sehr wehgetan»

Von Steffen Höhne 03.01.2012, 20:01

Halle (Saale)/MZ. - Kurz nach Weihnachten 2010 hatte Bodo Naumann die katastrophale Nachricht bekommen. Der Zulieferer Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein hatte den Mischfutter-Hersteller Safu Agrar Handelsgesellschaft Salzfurtkapelle (Anhalt-Bitterfeld) mit dioxinverseuchten Fetten beliefert. Naumanns Betrieb verarbeitete die Fette und lieferte hunderte Tonnen Mischfutter aus. Die Behörden erteilten Safu daraufhin ein Handelsverbot. Geschäftsführer Naumann fürchtete um die Existenz des Unternehmens. "Es hat uns sehr wehgetan", sagt er heute rückblickend, "aber nicht das Genick gebrochen."

Der Dioxin-Skandal erschütterte Anfang 2011 die gesamte deutsche Landwirtschaft. Als Auslöser gilt der Fett-Hersteller Harles und Jentzsch. Das Unternehmen hatte unzulässigerweise Futterfett und dioxinbelastetes Industriefett gemischt. Die verseuchten Stoffe wurden vor allem an deutsche Mischfutter-Hersteller verkauft, die sie weiterverarbeiteten und an Landwirte auslieferten. Aufgefallen ist dies erst durch Eierproben in Nordrhein-Westfalen (NRW), die erhöhte Dioxinwerte aufwiesen. Tausende Geflügel- und Schweinemast-Anlagen vor allem in Niedersachsen und NRW wurden daraufhin gesperrt - in Sachsen-Anhalt waren laut Magdeburger Landwirtschaftsministerium 25 Unternehmen mit 34 Betriebsteilen (darunter 13 Broilermäster und 13 Schweinemäster) betroffen.

Hohe Kosten für Betriebe

Eine unmittelbare Gesundheitsgefahr für den Menschen bestand nach Expertenangaben dabei nicht, weil die Dioxin-Konzentrationen durch die Mischungen absanken. Doch wie haben die landwirtschaftlichen Betriebe die Sperrungen überstanden? Und hat der von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) schnell auf den Weg gebrachte "Dioxin-Aktionsplan" den Schutz für Landwirte und Verbraucher erhöht?

Der Mischfutter-Hersteller Safu hat durch die verunreinigten Fette viel Geld verloren. Ausgelieferte Futtermittel mussten zurückgeholt und entsorgt werden. Landwirte fordern Schadenersatz. "Insgesamt liegen unsere Kosten bei 200 000 Euro", sagt Naumann. Der Safu-Chef hat wenig Hoffnung, dass er Ansprüche an Harles und Jentzsch geltend machen kann, denn der Fett-Hersteller ist insolvent. "Da wir schuldlos an der Sache waren, blieben uns alle Kunden treu", sagt Naumann.

Auch das Gut Asmusstedt (Landkreis Harz) mit einer großen Schweinemast-Anlage verwendete die belasteten Fette. "Zehn Tage war unser Hof gesperrt" , sagt Landwirt Markus Jacobs. Da die getesteten Schweine keine erhöhten Dioxinwerte aufwiesen, mussten keine Notschlachtungen vorgenommen werden. "Im Januar und im Februar sanken allerdings die Schweinepreise um 20 bis 30 Prozent", sagt Jacobs. Vielen Deutschen war der Appetit auf Fleisch vorerst vergangen. Das traf die gesamte Branche.

Um die Verbraucher zu beruhigen, und um mehr Schutz zu erreichen, stellte Bundesverbraucherministerin Aigner bereits Mitte Januar 2011 einen Zehn-Punkte-Aktionsplan für schärfere Futtermittelkontrollen vor. Und Ende 2011 meldete die Ministerin: Erfolgreiche Umsetzung. "Der Bund hat entschlossen und schnell gehandelt. Innerhalb eines Jahres haben wir mit einer Verschärfung von Bestimmungen auf EU-Ebene und in Deutschland erreicht, dass die Verbraucher künftig noch besser vor unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln geschützt sind", so Aigner. Sie verwies auf drei Regelungen:

Meldepflicht für private Labore: Diese müssen ihre Analyseergebnisse an Behörden melden, wenn sie bedenkliche Mengen an unerwünschten Stoffen in Futter- und Lebensmitteln nachweisen. Verschärfung des Strafrahmens: Wer Lebensmittel in den Handel bringt, die für den Verkehr nicht geeignet sind, und hierdurch für sich oder andere große Vermögensvorteile erlangt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden. Aufbau eines Frühwarnsystems: Die Mitteilungspflichten über Gehalte an Dioxinen und ähnlichen Stoffen in Lebens- oder Futtermitteln wurden neu geregelt.

"Allein durch die Anzeigepflicht für private Laboratorien ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass eine Belastung von Futtermitteln durch Dioxine eher erkannt wird", sagt eine Sprecherin des Magdeburger Landwirtschaftsministeriums. Sie weist zudem darauf hin, dass im Bereich der fettverarbeitenden Futtermittel-Hersteller die Kontrollen verstärkt wurden. Sachsen-Anhalt verfüge mit 23 Futtermittel-Kontrolleuren im Bundesvergleich über eine gute personelle Ausstattung.

Mehr Schnelltests gefordert

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hält den Aktionsplan dagegen für gescheitert. Verbraucherschützer Matthias Wolfschmidt nennt die Meldepflicht folgenlos: "Wenn ein Futtermittelbetrieb selbst Grenzwertüberschreitungen meldet, geht er straffrei aus - auch wenn die dioxinbelasteten Futtermittel längst verkauft sind. Das Präventionsziel wird ad absurdum geführt." Weiter hält Wolfschmidt die Kontrollpflicht der Betriebe für ungenügend. So sollen Fett-Herstellern Dioxintests für eine Charge von bis zu 2 000 Tonnen vorgeschrieben werden. "Dies sind 100 Lkw-Ladungen. Damit sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet", meint Wolfschmidt. Foodwatch fordert, die Betriebe müssten verpflichtet werden, lückenlos alle Bestandteile ihrer Futtermittel auf Dioxin zu testen. Durch sogenannte Schnelltests sei dies auch finanziell machbar. "Es muss nicht alles getestet werden, aber deutlich mehr als heute."

Einige Firmen wie der Mischfutter-Hersteller Safu haben die Initiative ergriffen. "Jede Tonne Fett, die wir beziehen, wird von unseren Lieferanten vorher getestet", sagt Geschäftsführer Naumann. Zudem gebe es mehr staatliche und eigene Kontrollen im Betrieb. "Das Unternehmen gibt es seit 20 Jahren und es soll noch eine ganze Weile weiter bestehen."