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CSU-Parteitag Söder-Müdigkeit in der CSU?

Zwei Jahre nach seinem Rekordergebnis bei der Vorstandwahl muss Markus Söder eine herbe Pleite verkraften. Dies liegt nicht nur daran, dass der CSU-Chef auch mal gesungen hat.

Von Marco Hadem, Christoph Trost und Malin Wunderlich, dpa 12.12.2025, 20:08
Große Freude sieht anders aus: CSU-Chef Söder bleibt im Amt, aber seine Parteibasis hat ihm einen schmerzhaften Parteitag bereitet.
Große Freude sieht anders aus: CSU-Chef Söder bleibt im Amt, aber seine Parteibasis hat ihm einen schmerzhaften Parteitag bereitet. Sven Hoppe/dpa

München - Mit einer solchen Klatsche für CSU-Chef Markus Söder haben wohl selbst die größten Pessimisten in der CSU nicht gerechnet: Nur 83,6 Prozent der Delegierten stimmen für die fünfte Amtszeit des 58-jährigen Franken an der Spitze der Partei. Mehr noch: 104 Stimmen sind gegen Söders Arbeit - und das ohne eine auch nur ansatzweise absehbare personelle Alternative, geschweige denn einen Gegenkandidaten.

Söders bisher schlechtestes Ergebnis bei Wahl zum Parteichef

Es ist mit Abstand das schlechteste Ergebnis, das Söder seit seiner ersten Wahl Anfang 2019 erreichte. In der CSU-Historie ist es gar das viertschlechteste Ergebnis - wenn man die wenigen Wahlen mit Kampfkandidaturen herausrechnet.

Kein Wunder also, dass nach der Verkündung des Ergebnisses das Raunen in der Münchner Messehalle gefühlt lauter ist als der Höflichkeitsapplaus. „Ja, ich bedanke mich für das Vertrauen, vielen, vielen Dank, dankeschön“, antwortet Söder auf die Frage, ob er die Wahl annimmt. Doch wer ihn hört und dabei sieht, weiß: Dies ist keine echte Freude. 

Ein denkwürdiger Freitagabend

Dieser Abend tut Söder weh. Und dies nicht nur an diesem denkwürdigen Freitagabend und nicht nur wegen der 13 verlorenen Prozentpunkte im Vergleich zu vor zwei Jahren. Diese Verletzung wird Söder länger mit sich herumtragen - mindestens bis zur nächsten Wahl zum Vorsitzenden 2027. 

2021 hatte Söder in gewisser Weise schon mal erlebt, wie sich ein Dämpfer bei dieser Wahl anfühlen kann. Damals wählten ihn „nur“ 87,6 Prozent der Delegierten, was verglichen zur Wahl Ende 2019 (91,3 Prozent) eine Verschlechterung war. Und auch dieses Mal wurde die 90-Prozent-Marke schon seit Tagen in der CSU als Gradmesser diskutiert. Bei allen Wetten lautete immer die Frage: Mehr oder weniger als 90 Prozent? Schon 2023 wirkte Söders vierte Wiederwahl mit 96,6 Prozent wie eine heilsame Medizin. 

Söder hat seit Wochen für Zustimmung geworben

Seit Tagen und Wochen hatte Söder versucht, in der Partei für seine Wiederwahl zu werben. Und dies nicht nur mit Worten. Im Berliner Koalitionsausschuss wie im Münchner Kabinett „lieferte die CSU“, wie Söder es selbst nannte, am laufenden Band, arbeitete alle Wahlversprechen der CSU ab. Dabei stieß insbesondere der schuldenfreie Doppelhaushalt („Stoibers Erbe“) auf maximales Wohlwollen in der CSU. 

„Hätte Bayern auch noch neue Schulden gemacht, wäre das heute richtig schiefgegangen“, fasst ein hochrangiger Delegierter die Lage zusammen, der selbst nach eigenen Worten für Söder gestimmt hatte. Eine einfache Erklärung, woran es gelegen hat, kann in den Stunden nach der Wahl niemand geben. Manche schieben es auf die zu wenig kämpferische Rede, ein hochrangiger CSU-ler betont unter der Hand, dies sei eine „ernste Mahnung zu mehr Teamarbeit und Geradlinigkeit“. 

Tatsächlich hatte es schon vor dem Parteitag in der CSU immer wieder Misstöne bezüglich des Parteichefs gegeben. Am markantesten zutage trat der bröckelnde Rückhalt nach Söders Oktoberfest-Gesangseinlage im Herbst. So viele Klicks und digitale Reichweite sein im Tonstudio produziertes „Sweet Caroline“ auch in den sozialen Netzwerken erzielte, gerade bei der konservativen CSU-Basis war das negative Echo deutlich lauter ausgefallen. 

„Die Stimmung war für viele auf dem Tiefpunkt, seither hat er gottlob nicht mehr gesungen und auch deutlich weniger Essen gepostet“, fasste es damals ein CSU-Vorstand zusammen. In der Tat zeigen Söders Aktivitäten bei Instagram und Co. in den vergangenen Wochen häufiger Schnipsel seiner politischen Arbeit und weniger, was bei Söder auf den Tisch kommt. Sogar Söder selbst hatte sich damals öffentlich zur Kritik geäußert: Er sprach etwa von einer „Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig“. 

Gibt es eine Söder-Müdigkeit in der CSU?

Hinzu kommt, so heißt es von einigen in der CSU, dass mancherorts inzwischen eine gewisse Söder-Müdigkeit spürbar sei: „Er ist jetzt seit sechs Jahren im Amt und weiterhin ohne Frage als Parteichef wie Ministerpräsident unumstritten und gesetzt, eine gewisse Abnutzung ist aber dennoch vorhanden“, sagt ein anderer aus dem CSU-Vorstand. Söder vertritt bei Personalentscheidungen selbst übrigens den Ansatz, jedes politische Amt sei nur eine Ehre auf Zeit. 

Kein gutes Vorzeichen für Kommunalwahl im März

Für ahnungsloses Schulterzucken sorgt das Ergebnis auch, weil für die CSU schon in wenigen Monaten, am 8. März 2026, die nächste wichtige Wahl ins Haus steht: Dann werden in Bayern die Kommunalparlamente neu gewählt, die Bürgermeister und die Landräte. 11.600 kommunalpolitische Mandate hat die CSU aktuell inne - damit ist sie der unangefochtene Platzhirsch in Bayern.

Viele in der Partei fürchten, dass sich die Zahl massiv verkleinern wird. Denn mit der AfD steht in immer mehr Kommunen neue Konkurrenz rechts der Mitte zur Wahl, die der CSU auch schon bei Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen viele Stimmen gekostet hat. Auch Söder hatte in seiner Rede immer wieder betont, dass die CSU mit Geschlossenheit dagegen ankämpfen müsse. Ob ihm hier auch Delegierte die Stimme verweigerten, die Söders klare Kante gegen die AfD nicht so gut finden - auch darüber spekulieren manche in der Halle.

Der Franke wird nicht nur von seinen politischen Kontrahenten für seine Schlagfertigkeit gefürchtet. „Breitbeinig“ nennen viele Kritiker oft sein Auftreten, etwa bei Koalitionsverhandlungen. Dahinter steht nicht nur Söders großes Ego, wie ihm oft und gerne vorgeworfen wird. Vielmehr basiert es auch auf einem über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen Selbstbewusstsein, wie Söder auch in seiner Rede immer wieder anklingen lässt. Etwa als er von seinem ersten Besuch beim Aschermittwoch vor 42 Jahren erzählt: „Ich bin seit dieser Zeit süchtig nach der CSU.“

Söder: „Will Geschichte Bayerns und der CSU fortschreiben“

„Es ist schön, Ministerpräsident zu sein, aber eine ganz große Ehre Parteivorsitzender zu sein. Das ist eine schwere Aufgabe“, rief Söder in seiner knapp 75-minütigen Rede. „Ich will mit euch die Geschichte Bayerns und der CSU fortschreiben. Die CSU war noch nie eine normale Partei.“ Im Gegensatz zum oft pessimistischen Tenor in seiner Rede appellierte Söder an den Optimismus seiner Parteifreunde „in schwierigen Zeiten“: „Wir sind stark, wir sind einig, wir sind die CSU. Wir führen Bayern zu sicheren Ufern. Das ist unser Auftrag und deswegen lasst uns zusammenstehen.“

Wenn am Samstag Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz in München erwartet wird, hatte Söder diesem schon vorab „Rückendeckung“ versprochen, er habe sich diese verdient. Nach dieser denkwürdigen Wahl dürfte Söder nun auch dessen Rückendeckung mehr als gut gebrauchen können.