Archäologie Schau zu Reiternomaden in Europa im Landesmuseum Halle
Im Mittelpunkt der Sonderausstellung „Reiternomaden in Europa - Hunnen, Awaren, Ungarn“ stehen die frühmittelalterlichen Reiche dieser Völker. Die Funde belegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der reiternomadischen Kulturen und die Beziehungen zu ihren Nachbarn.

Halle - Die Reitervölker Europas im frühen Mittelalter stehen im Mittelpunkt im Landesmuseum Halle. „Auch das heutige Mitteldeutschland wurde von Auseinandersetzungen mit nomadischen Gruppen nicht verschont“, sagte Landesarchäologe Harald Meller am Donnerstag. „Ein eigener Ausstellungsbereich zeigt die Spuren der Steppennomaden in Mitteldeutschland.“ Die Ausstellung „Reiternomaden in Europa - Hunnen, Awaren, Ungarn“ wird nach der Eröffnung mit geladenen Gästen am Donnerstagabend ab Freitag bis zum 25. Juni 2023 für Besucher geöffnet sein.
Auf rund 620 Quadratmetern sind rund 420 Ausstellungsstücke zu sehen. Zentral, im Atrium des Landesmuseums, wurde eine Schatzkammer mit Prestigeobjekten aus hunnischen, awarischen und ungarischen Befunden installiert. Die Form des Rundbogens erinnert an die zeltartigen Jurten, die typische steppennomadische Behausung.
Zu sehen ist einer der bedeutendsten Fundkomplexe der Awarenzeit, fünf Gefäße aus dem Goldschatz von Sânnicolau Mare/Nagyszentmiklós aus dem 8. Jahrhundert. Die Motive auf den prächtigen Schalen, Kannen und Bechern stammen aus der Bilderwelt des Mittelmeerraumes. Der Herstellungsort des edlen Tafelgeschirrs, das einem awarischen Fürsten gehörte, ist Byzanz, das heutige Konstantinopel. „Nie gab es mehr Gold im Landesmuseum zu sehen als bei dieser Ausstellung“, sagte Landesarchäologe Meller.
Zudem gibt es die lebensechte Rekonstruktion eines awarischen Reiterkriegers erstmals außerhalb Ungarns zu sehen. Die Leihgabe stammt aus dem Déri Múzeum in Debrecen (Ungarn). Der Krieger, dessen Grab 2017 bei Derecske (Ungarn) ausgegraben wurde, war im 7. Jahrhundert in voller Rüstung und begleitet durch sein aufgezäumtes Pferd beigesetzt worden. Einzigartig vollständig erhalten blieb der Lamellenpanzer aus mehr als 500 rechteckigen Eisenplatten. Es ist die einzige bekannte vollständig rekonstruierbare Rüstung aus der Awarenzeit.
Ebenso gibt es Funde aus dem rund 1500 Jahre alten Grab einer jungen Frau, wie Reitzubehör, ein zerbrochener Metallspiegel, germanische Fibeln und Kämme, Trinkgeschirr sowie orientalischer Schmuck.
Aus dem Fürstengrab von Kunbábony aus der Mitte des 7. Jahrhunderts stammen Goldmanschetten, Ohr- und Fingerringe, ein prächtig verziertes Schwert, goldene Armreifen und die Goldbeschläge eines Waffengürtels. Dazu das Trinkhorn mit abgewinkeltem Schaft, ein zeremonielles Trinkgefäß und Würdezeichen. Es wurde beispielsweise bei diplomatischen Anlässen verwendet. Die Nomaden waren geschickte Handwerker und Goldschmiede, ließen aber auch Prunkschmuck von Goldschmieden anderer Völker anfertigen. Auch ein Schatz der Skythen, ein Nomadenvolk, das in der Antike vor rund 2600 Jahren lebte und ein Vorläufer der mittelalterlichen Nomadenvölker ist, wird gezeigt. Der Goldschatz wurde 1882 in Vettersfelde - damals Landkreis Guben, heute Witaszkowo (Polen) - von einem Bauern entdeckt. Die Stücke sind Schmuck, Gebrauchsgegenstände und Bewaffnung.
Mit der Niederlage der Ungarn gegen Otto I. dem Großen im Jahr 955 endete die Ära der Reiternomaden in Europa.
Die Objekte kommen aus 30 Museen und Sammlungen aus Ungarn, Österreich, Tschechien, Polen, der Slowakei und Deutschland. Die Schau wurde mit dem Museum Schallaburg (Österreich) konzipiert. Zudem begleitet die Sonderausstellung ein umfangreiches Programm für Kinder, Schüler und interessierte Besucher.