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Bildungspolitik Sachsen-Anhalt will Grundschullehrkräfte besser bezahlen

Der Unterrichtsausfall ist enorm. Auch wenn Sachsen-Anhalt schon vieles unternommen hat, es fehlen Lehrer in großem Stil. Neue Maßnahmen werden auf den Weg gebracht. Noch vor der Verkündung gab es Protest.

Von dpa Aktualisiert: 21.01.2023, 09:41
Eine Lehrerin betreut in einer Grundschulklasse einen Schüler, der am iPad lernt.
Eine Lehrerin betreut in einer Grundschulklasse einen Schüler, der am iPad lernt. Oliver Berg/dpa

Magdeburg - Lehrer sollen eine Stunde pro Woche länger vor der Klasse stehen, Grundschullehrkräfte besser bezahlt werden und die Schulen bekommen Budgets, um Personallücken selbst zu schließen. Sachsen-Anhalt will eine Reihe weiterer Schritte gehen, um dem Lehrermangel zu begegnen. „Überall fehlen Lehrerinnen und Lehrer, überall fallen Stunden aus“, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Donnerstagabend in Magdeburg. „Den Unterrichtsausfall wollen wir in Richtung Null schieben“, sagte Haseloff, der verschiedene Akteure zum bildungspolitischen Dialog in die Staatskanzlei eingeladen hatte und danach ein Maßnahmenpaket vorstellte.

Zum beschlossenen Paket gehört, dass Lehrerinnen und Lehrer künftig eine Stunde pro Woche länger vor der Klasse stehen. Bei Grundschullehrerinnen seien das 28 statt bislang 27 und bei Sekundarschule- und Gymnasiallehrern 26 statt 25 Stunden. „Damit kommen wir auf den deutschen Durchschnitt“, sagte Haseloff. Die Verpflichtung solle zeitlich befristet sein und die zusätzlichen Stunden sollten entweder vergütet werden oder auf einem Arbeitszeitkonto angerechnet werden. Schon ab dem kommenden Schulhalbjahr soll die Regelung gelten. Laut Haseloff kann damit in etwa die Hälfte von etwa 1000 fehlenden Kräften an den Schulen kompensiert werden.

Noch vor dem Ende verließ die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Sachsen-Anhalt, Eva Gerth, die Veranstaltung in der Staatskanzlei aus Protest. Den „Zwang“ zur Mehrarbeit lehne sie ab. Das sei eine zusätzliche Belastung für die Lehrkräfte. Die Maßnahme sei „völlig unnötig und ein falsches Signal an die Schulen“, so Gerth. Zudem sei die Veranstaltung kein Dialog gewesen, die Landesregierung habe lediglich Maßnahmen vorgestellt.

Eine langjährige Forderung der GEW wird hingegen erfüllt. Sachsen-Anhalt folgt dem Vorbild anderer Länder und bezahlt Grundschullehrerinnen und -lehrer künftig besser. Schon in diesem Jahr solle mit der schrittweisen Erhöhung der Besoldung begonnen werden, sagte der Ministerpräsident. Er bezeichnete es als „unser klares Ziel“. Wie etwa die Stufen ausgestaltet seien, werde der Landtag entscheiden, der derzeit über den Haushalt berate. Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verdienen Grundschullehrkräfte in Sachsen-Anhalt bis zu 500 Euro weniger als ihre Kollegen und Kolleginnen anderer Schulformen.

Zudem sollen die Schulen künftig ein Budget erhalten, mit dem sie selbst Menschen bezahlen können, die Unterrichtsausfall vermeiden helfen. Laut Haseloff könne das rund 350 fehlende Stellen ausgleichen und 20 bis 25 Millionen Euro kosten. Bislang wird im Bildungsbereich viel Geld nicht ausgegeben, weil sich auf ausgeschriebene Stellen keine Bewerber melden.

Wenn Lehrer krankheitsbedingt ausfallen, sollen künftig zügig Kollegen von Schulen in der Nachbarschaft abgeordnet werden, wie es weiter hieß. Um diesen einen Anreiz zu bieten, sollen sie eine Zulage erhalten. Zudem werde das Land für den Norden und den Süden einen Pool an Vertretungskräften aufbauen, die Schulen in Notsituationen kurzfristig unterstützen, hieß es weiter. Zu den Beschlüssen gehört auch, dass der Einsatz von Hort- und Schulpersonal künftig besser aufeinander abgestimmt werden soll. Die Entwicklung geht in Richtung Ganztagsschulen.

Auch bei der Lehrerausbildung will das Land neue Wege gehen. „Wir wollen in Sachsen-Anhalt ein duales Modell des Studiums ausprobieren“, sagte Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Es solle ein Anwärtermodell für Grund- und Sekundarschulen geben. Nach der Einstellung in den öffentlichen Dienst absolvierten die Frauen und Männer ihr Studium als Beschäftigte. Dieses Modell gebe es bei der Polizei. An der Universität Magdeburg wolle man zudem vorübergehend mehr Fächer-Kombinationen für angehende Lehrer ermöglichen. Bislang seien diese begrenzt. Grundsätzlich sei das Ziel, die Lehramtsausbildung von Anfang an stärker auf die Praxis auszurichten.

Die Fraktion der Linken bezeichnete die Maßnahmen als desaströs. Sie zeigten die Rücksichtslosigkeit und das Unverständnis der Landesregierung gegenüber Lehrerinnen und Lehrern. „Dafür großspurig einen Schulgipfel einzuberufen, um sich für einen solchen Affront gegenüber den Lehrkräften eine Legitimation zu holen, ist keine verantwortungsvolle Bildungspolitik, sondern kurzatmige Krisenbewältigung auf dem Rücken der Lehrkräfte“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher, Thomas Lippmann.

Auch die Grünen-Fraktion kritisierte die von Haselhoff angekündigten Schritte. Diese kämen nur sehr verzögert und seien „insgesamt ernüchternd“, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Partei, Susan Sziborra-Seidlitz. „Wir brauchen Maßnahmen, die den Lehrberuf attraktiver machen, anstatt noch mehr Menschen durch weitere Überlastung aus dem Beruf zu vergraulen“, sagte sie.

In Sachsen-Anhalt sind rechnerisch rund 93,5 Prozent des Unterrichts abgesichert. Die Unterrichtsversorgung variiert nach Schulform. An den Grundschulen lag sie zuletzt bei 95 Prozent, an den Gymnasien bei knapp 98 Prozent, an den Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen bei 88 Prozent. Rund 14.000 Lehrkräfte gibt es an den allgemeinbildenden Schulen, davon arbeiten etwa 2500 in Teilzeit, wie Daten aus dem Bildungsministerium zeigen.