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Soziales Kritik an Blockade des Bürgergelds

Nach dem Stopp des Bürgergelds im Bundesrat reagieren Thüringer Politiker mit Unverständnis auf die Haltung der Union. Die CDU im Freistaat findet die Blockade richtig - erntet aber Kritik.

Von dpa Aktualisiert: 15.11.2022, 22:57
Mario Voigt, Fraktionsvorsitzender der CDU im Thüringer Landtag, sitzt im Plenarsaal.
Mario Voigt, Fraktionsvorsitzender der CDU im Thüringer Landtag, sitzt im Plenarsaal. Bodo Schackow/dpa

Erfurt - Die Bundesratsblockade zur geplanten Einführung des Bürgergeldes hat in Thüringen Kritik auslöst. „Schämen Sie sich eigentlich gar nicht @CDU?“, fragte die Thüringer Grünen-Fraktionsvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich am Montag bei Twitter. Ein Kulturkampf von rechts habe zur Ablehnung des Bürgergeldes im Bundesrat geführt. Wie zuvor angekündigt, verweigerten mehrere Landesregierungen unter Führung beziehungsweise mit Beteiligung der Union der Einführung des Bürgergeldes in der Länderkammer ihre Zustimmung.

Damit kann die Sozialreform nicht wie geplant am 1. Januar in Kraft treten. Stattdessen soll nun eine Lösung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gefunden werden. Dabei handelt es sich um eine Art politisches Schlichtungsgremium.

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt stellte sich hinter die Blockade in der Länderkammer. Es sei gut, dass der Bundesrat den „sozial ungerechten Entwurf der Ampel-Regierung“ gestoppt habe. „Wer arbeitet, muss mehr Geld haben als jemand, der nicht arbeitet.“ Ähnlich äußerte sich Voigt bei Twitter.

Darauf reagierte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit scharfer Kritik. Wer Sozialgeldbezieher gegen Niedriglöhner ausspiele, „der will Neiddebatten an Stammtischen anheizen“, schrieb der Regierungschef bei Twitter. Die Linke in Thüringen hatte das Bürgergeld zuvor zwar als unzureichend kritisiert, aber zugleich als Schritt in die richtige Richtung bewertet.

Die Einführung des Bürgergeldes, das Hartz IV ablösen soll, gilt als ein wichtiges Projekt der Ampel-Koalition aus SPD, Grüne und FDP im Bund. Die Pläne sehen für alleinstehende Leistungsempfänger eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro auf 502 Euro vor. Das ist unstrittig und wird auch von der Union befürwortet.

Andere Punkte lehnt die Union aber strikt ab. Etwa, dass Arbeitslose künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt werden sollen, speziell im ersten halben Jahr des Bürgergeldbezugs („Vertrauenszeit“). Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern will die Ampel lockern.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Thüringen warf der Union „Parteipolitik auf dem Rücken der Ärmsten“ vor, wie Landesgeschäftsführer Stefan Werner mitteilte. Er kritisierte, dass nun der lange Weg über einen Vermittlungsausschuss gegangen werden muss. „Die Inflation wartet allerdings nicht und erschwert das Leben der Hartz IV-Betroffenen weiter“, erklärte Werner. Die Sanktionen hätten keine Wirkungen gezeigt, sondern führten vielmehr zu Krankheiten und motivierten nicht, eine Arbeit anzunehmen.

Thomas Kemmerich, Sprecher der FDP-Gruppe im Thüringer Landtag, erklärte, es nütze allen nichts, „wenn wir weiterhin Stigmata von arbeitsunwilligen Studienabbrechern und anderen Faulenzern bemühen“. Es gebe eine Million offene Stellen in Deutschland. „Unser aller Ziel sollte sein, dass möglichst viele Menschen aus der Grundsicherung heraus in Arbeit kommen und bleiben“, so Kemmerich.