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Holocaust-Gedenkstätte Feierstunde für vier „Gerechte unter den Völkern“

Angehörige von drei Familien treffen sich im Roten Rathaus. Sie sind durch ihre Vorfahren auf besondere Weise verbunden. Die Ehepaare Schwartze und Hübner gelten als „Gerechte unter den Völkern“.

Von dpa Aktualisiert: 03.11.2022, 21:59
Auszeichnungen liegen zu Ehren von vier deutschen „Gerechten unter den Völkern“ im Roten Rathaus.
Auszeichnungen liegen zu Ehren von vier deutschen „Gerechten unter den Völkern“ im Roten Rathaus. Christoph Soeder/dpa

Berlin - Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat zwei Ehepaare aus Berlin und Brandenburg posthum für die Rettung verfolgter Juden während der Nazi-Diktatur geehrt. Bruno und Anna Schwartze sowie Friedrich und Helene Hübner gelten damit offiziell als „Gerechte unter den Völkern“. Bei einer Feierstunde am Mittwoch im Roten Rathaus überreichte der israelische Botschafter Ron Prosor die Yad-Vashem-Medaillen und die Urkunden an die Enkeltochter von Bruno und Anna Schwartze, Anne-Margret Schmid, und an die Enkeltochter des Ehepaars Hübner, Gundela Suter.

Auf den Stühlen im Großen Saal des Rathauses saßen aber neben anderen Gästen nicht nur Nachfahren verschiedener Generationen der beiden Paare, deren Namen auf der Erinnerungswand im „Garten der Gerechten“ in Yad Vashem verewigt sind. Gekommen waren auch etliche Gäste aus der Familie von Moritz Mandelkern und seiner Frau Henriette. Die beiden lebten während der Nazi-Diktatur in Berlin, zusammen mit ihrem Sohn Siegfried, der 1940 als 15-Jähriger nach Polen deportiert und wahrscheinlich in Auschwitz ermordet wurde.

Als auch seinen Eltern Deportation und Ermordung drohten, versteckten Bruno und Anna Schwartze ihren Nachbarn Bruno Mandelkern ab Dezember 1942 für 18 Monate in einer winzigen Kammer auf dem Dachboden ihrer Wohnung. Seine Frau Henriette versteckte sich auf dem Bauernhof von Friedrich und Helene Hübner im brandenburgischen Groß Schönebeck. Nachdem das Haus der Familie Schwartze bei einem Bombeneinschlag schwer beschädigt wurde, tauchte auch Moritz Mandelkern bis zum Ende der Nazi-Diktatur schließlich in Groß Schönebeck unter.

„Es waren Menschen, die der Unmenschlichkeit und Grausamkeit der Nazis und der Gleichgültigkeit breiter Bevölkerungsschichten Humanität, Hilfsbereitschaft und Mut entgegengesetzt haben“, sagte Umweltsenatorin und Bürgermeisterin Bettina Jarasch über die beiden Ehepaare, die zu den Rettern der Mandelkerns wurden.

„Die Erinnerung an diese Menschen zeigt eben auch, dass es möglich war, in einer Zeit unmenschlicher Verbrechen menschlich zu bleiben und Mitgefühl zu zeigen“, erklärte Jarasch. „Es ist gut, dass wir gerade hier, in der früheren Hauptstadt des NS-Regimes die Erinnerung an die Täter und ihre Taten wach halten, aber eben auch an die Menschen, die sich dem Unrecht widersetzt haben.“

Der israelische Botschafter Ron Prosor sagte, die „Gerechten unter den Völkern“ gehörten zu den Helden des Kampfes für die Freiheit. „Sie haben in der dunkelsten aller Zeiten das Leben von Mitmenschen gerettet. Und sie haben dabei nicht weniger als ihr Leben riskiert.“ Sie seien schon allein für ihre selbstlosen Taten zu würdigen.

„Die Ehrung der "Gerechten unter den Völkern" ist aber auch so wichtig, weil wir von ihren mutigen Taten lernen können“, sagte Prosor. „Indem wir dem Beispiel der mutigen Männer und Frauen folgen, machen wir die Welt zu einem besseren Ort. Das ist das Vermächtnis, das uns Bruno und Anne Schwartze und Friedrich und Helene Hübner hinterlassen haben.“

Cornelia Ewald, Urenkeltochter des Ehepaares Schwartze, sagte, sie sei nicht sicher, ob sich die beiden als Helden gesehen hätten. Gundela Suter, Enkeltochter der Hübners und selbst schon Urgroßmutter, ergänzte, ihr Großvater habe es schlicht als seine Pflicht empfunden, Menschen zu helfen. Auch ihre Großmutter sei immer hilfsbereit gewesen. Ihre Hoffnung sei, dass es nie wieder Rassendiskriminierung und Kriege gebe. „Leider sieht die gegenwärtige Lage ganz anders aus. Die Hoffnung bleibt aber bestehen.“

Die Ehepaare Schwartze und Hübner wurden 2018 als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannt. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem vergibt den Ehrentitel seit 1963 an nicht-jüdische Menschen, die während der Schoa ihr Leben riskierten, um Jüdinnen und Juden zu retten. Der Titel ist die höchste Ehrung des Staates Israel für nicht-jüdische Menschen. Mittlerweile gibt es 27 921 „Gerechte unter den Völkern“, darunter 641 aus Deutschland.