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Grenzfluss Erhöhter Salzgehalt in der Oder - Experte fordert Umdenken

Der Umgang mit der Oder belastet seit langem das Verhältnis zu Polen. Jetzt will Brandenburg gerichtlich gegen den Ausbau des Grenzflusses vorgehen. Messberichte ergaben außerdem einen erhöhten Salzgehalt. Ein Experte befürchtet ein erneutes Fischsterben im Sommer.

Von dpa Aktualisiert: 01.11.2022, 21:09
Tote Fische haben sich an einem Wehr im deutsch-polnischen Grenzfluss Westoder auf der Wasseroberfläche gesammelt.
Tote Fische haben sich an einem Wehr im deutsch-polnischen Grenzfluss Westoder auf der Wasseroberfläche gesammelt. Patrick Pleul/dpa/Archivbild

Potsdam - Im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder ist ein erhöhter Salzgehalt festgestellt worden. Erst im Sommer hatte es in dem Fluss ein massenhaftes Fischsterben gegeben. Warum es erneut zu der erhöhten Belastung kam, blieb am Wochenende unklar. Der Gewässerökologe Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei forderte am Montag, die Menge der Salz-Einleitungen schnell zu begrenzen. Er befürchtet, im Sommer könne wieder ein großes Fischsterben drohen.

Das Land Brandenburg will zudem im lang anhaltenden Streit mit Polen gegen den Ausbau der Oder auf polnischer Seite klagen. Damit soll ein Stopp von Bauarbeiten erreicht werden. Auch der Umgang mit dem Fischsterben belastete das Verhältnis zum Nachbarland zusätzlich.

Im August war es in der Oder zu einer Umweltkatastrophe gekommen. Als Gründe für das Fischsterben sahen Experten eingeleitetes Salz verbunden mit Niedrigwasser und hohen Temperaturen, so dass es zu einer massenhaften Vermehrung einer giftigen Algenart (Prymnesium parvum) kam.

Das Umweltministerium teilte mit Verweis auf Daten des Landesumweltamts mit, die nun beobachteten Leitfähigkeiten lägen zwar unterhalb der Spitzenwerte, die im Sommer gemessen worden seien, doch deutlich über den Durchschnittswerten der vergangenen Jahre. Die elektrische Leitfähigkeit im Wasser ist ein Indikator für den Gehalt von Salzen. Die Werte im Fluss würden weiterhin beobachtet, hieß es aus dem Umweltministerium. Derzeit sei bei den niedrigeren Wassertemperaturen um 13 Grad aber keine Massenvermehrung der Alge zu erwarten.

Der Gewässerökologe Wolter sagte, da derzeit doppelt so viel Wasser in der Oder sei wie im Sommer, sei die Menge der Salzfrachten mindestens genauso hoch oder sogar höher als im Sommer. Zuvor berichtete „Zeit online“. Der gemessene Salzgehalt - es handle sich um Natriumchlorid, also Kochsalz - sei derzeit aber nicht gefährlich für die Fische, sagte Wolter. Im Sommer könne das anders aussehen, wenn Niedrigwasser und hohe Temperaturen herrschten sowie viele Nährstoffe in der Oder seien, so dass die toxische Alge sich wieder vermehren könne. Er sei entsetzt, dass nach der Umweltkatastrophe nichts gegen die Ursache getan werde.

Die grenzbildende Mittlere Oder von Ratzdorf bis Kietz (Kreis Oder-Spree) führe seit Jahren hohe Salzfrachten, teilte das Landesministerium mit. Die in der Oder vorkommende „Lebensgemeinschaft“ habe sich offensichtlich sowohl an die hohe Grundbelastung als auch an die zu verzeichnenden Schwankungen und Spitzen angepasst. Das Bundesumweltministerium in Berlin verwies nach einer Anfrage darauf, dass das Land federführend zuständig sei.

Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hatte Ende September angekündigt, Brandenburg wolle Umweltkatastrophen wie das Fischsterben in der Oder künftig schneller erkennen können. Es werde überprüft, ob und wie das Messsystem und die Meldeketten optimiert werden könnten.

Zudem bereitet das Umweltministerium eine Klage gegen den Oder-Ausbau vor, die bis zum 16. November eingereicht werden muss, wie ein Sprecher des Ministeriums am Samstag sagte. Zuvor hatte die „Märkische Oderzeitung“ berichtet. „Nach unserer Einschätzung werden die zu erwartenden grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen und der aktuelle ökologische Zustand der Oder nicht ausreichend berücksichtigt“, teilte der Sprecher mit.

Polen will den Ausbau der Oder vorantreiben und nennt als ein Ziel einen besseren Schutz vor Hochwasser. Umweltschützer sehen durch eine Regulierung der Oder dagegen Gefahren für das Ökosystem des Flusses. Nach dem massenhaften Fischsterben hatte es vom Bundesumweltministerium in Berlin geheißen, die Oder müsse sich von der Umweltkatastrophe erholen. Ausbaumaßnahmen stünden einer erfolgreichen Regeneration entgegen.

Am polnischen Flussufer gibt es etwa bei Slubice Arbeiten an Buhnen - das sind rechtwinklig zum Ufer hin errichtete Dämme, die in Richtung Flussmitte zeigen. Das Land Brandenburg hatte im August 2020 gegen den polnischen Umweltbeschluss zu den Ausbaumaßnahmen Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch war im August dieses Jahres abgewiesen worden, wie das Ministerium mitteilte. Dagegen will das Land nun mit seiner Klage vorgehen. Auch Umweltverbände in Deutschland klagten bereits gegen den Oder-Ausbau.