Deutscher Zukunftspreis 2006 Deutscher Zukunftspreis 2006: Schärferer Blick tief in die Zelle
Halle/MZ. - Noch größer müsste man die Vergrößerungen mit dem klassischen Mikroskop, dem Licht-Mikroskop, machen können, noch schärfer.
Das Beobachtungs-Prinzip am Licht-Mikroskop ist immer gleich, egal ob in Bio-Unterricht oder im Forschungsinstitut: Licht fällt auf das Beobachtungs-Objekt und wird von dort durch Linsen zurückgeworfen, erreicht das staunende Auge. Für die Wissenschaft gab es dabei eine schier unüberwindliche Grenze: Alles was kleiner als ein fünftausendstel Millimeter war, konnte mit einem Licht-Mikroskop nicht mehr hinreichend scharf gesehen und abgebildet werden. Das war ehernes Optik-Gesetz, seit es Ernst Abbe ( 1840 - 1905) vor über 130 Jahren entdeckt und postuliert hatte.
Warum es so ärgerlich war, dass diese Grenze nicht überwindbar schien, erklärt Zukunftspreis-Träger Professor Stefan Hell so: "Mit den bislang bekannten Möglichkeiten konnten wir mit diesem Mikroskop-Typ zwar die lebende biologische Zelle betrachten, aber wir konnten nicht wirklich tief in sie vordringen." So ins Detail zu gehen, ist bislang das Privileg von aufwendig konstruierten, teuren Elektronen-Mikroskopen gewesen. Aber die Arbeit damit hat für bestimmte Forschungsarbeiten einen entscheidenden Nachteil: Hier liegt totes Zellmaterial unter dem Mikroskop, während im Licht-Mikroskop lebende Zellen analysiert werden können. Zudem müssen die Betrachtungsobjekte - eben für die Begutachtung von Elektronen - viel aufwendiger vorbereitet werden.
An diesem Punkt setzte Professor Hell und sein Team im Göttinger Max-Planck-Insitut vor zehn Jahren an: Wie kann man die Abbesche Sichtbarkeitsgrenze im Licht-Mikroskop überwinden und tiefer in die lebende Zelle blicken? Warum das so spannend war, erklärt Hell so. "Alle Krankheiten haben ihre Ursachen in molekularen Veränderungen, Störungen in den menschlichen Zellen. Wenn man also molekulare Ursachen für Krankheiten in den Zellen erkennt, eröffnet das langfristig die Chance, auf diese gestörten Abläufe einzuwirken." Der trickreiche Einsatz von Lasern und fluoreszierenden Farbstoffen sind der Dreh- und Angelpunkt des preisgekrönten Mikroskops. Wirklich erfassen werden das wohl nur Leute vom Fach können.
Lars Kastrup, einer der Hell-Mitarbeiter, müht sich um eine verständliche Erklärung dessen, was so revolutionär an ihrer Entwicklung ist: "Heutige Mikroskope tasten das Untersuchungsobjekt, beispielsweise eine biologische Zelle, Punkt für Punkt mit einem fokussierten Laserstrahl ab. Wenn man nun nicht nur die Zelle als ganzes, sondern auch die Strukturen innerhalb der Zelle beobachten möchte, muss man sicherstellen, dass der abtastende Laserpunkt entsprechend klein ist. In dem neuen Mikroskop ist es nun gelungen, durch Auschalten von Licht mit Licht genau dies zu erreichen." Die Folge: bislang unscharfe Bildpunkte, werden scharf und sind viel besser von einander getrennt zu beobachten.
Was in der lebenden Zelle abläuft, wie der Austausch von Stoffen und "Informationen" funktioniert, kann nun mit Hilfe des Hellschen Licht-Mikroskopes viel präzisier als zuvor verfolgt werden. Jetzt können Details in der lebenden Zelle so scharf und so klein abgebildet werden, wie das bislang als nicht möglich galt. Solche Ideen, so Bundespräsident Horst Köhler bei der Preisverleihung, seien der Stoff, aus dem die Zukunft unseres Landes gemacht werde.
Noch mehr als über die 250 000 Euro Preisgeld freut sich Stefan Hell über die Aussichten, die sich mit der Entwicklung seines Teams eröffnen: "Das beste Gefühl ist, zu ahnen, wo es lang gehen könnte in der Natur. Und dann spielt die Natur plötzlich auch noch mit. Das ist die wahre Genugtuung." Hells Lichtmikroskop soll im kommenden Jahr für voraussichtlich 800 000 Euro auf den Markt kommen und wird von der Leica Microsystem GmbH produziert. Einen Teil seines Preisgeld will der 43-Jährige in ein eigenes Unternehmen stecken, mit denen er gemeinsam mit Mitarbeitern auf diesem Gebiet weiter forschen möchte.