Deutsche Telekom Deutsche Telekom: Tausende Anleger fordern Schadensersatz in Millionenhöhe

Frankfurt/Main/dpa. - Bisher hattedie Telekom nachzuweisen versucht, dass der Verkaufsprospekt bei derdritten Aktienplatzierung im Jahr 2000 korrekt gewesen sei. Jetztargumentierten die Juristen, die Anleger hätten damals «in einem vonder New Economy geprägten Umfeld gehandelt», in dem die umstrittenenBuchwerte von Immobilien überhaupt keine Rolle spielten, wie dasNachrichtenmagazin «Der Spiegel» und das ARD-Magazin «Report Mainz»unter Berufung auf Schriftsätze der Telekom berichten.
In dem Musterprozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verlangenrund 16 000 Anleger von dem früheren Staatskonzern Schadenersatz inHöhe von 80 Millionen Euro. In dem Verfahren will das Gerichtzunächst grundsätzlich klären, ob der Prospekt korrekt war. Bis zurendgültigen Klärung der Ansprüche könnten noch Jahre vergehen.
Die Rechtsanwaltskanzlei Tilp, die zahlreiche Kläger vertritt,verurteilte den mutmaßlichen Strategiewechsel der Telekom als«offensichtlichen Versuch, die damaligen T-Aktionäre nun quasi alsSpekulanten zu brandmarken». Man habe dem Gericht als Erwiderung aufdie Telekom-Ausführungen ein Dossier mit Aussagen damaliger Telekom-Manager über die «Volksaktie» vorgelegt, hieß es am Sonntag in einerMitteilung. «Dieser groteske Vorgang reiht sich nahtlos in die wohlnicht endenden Imageschäden des Konzerns ein», erklärte RechtsanwaltAndreas Tilp.
Das Oberlandesgericht hatte von der unteren Instanz einen ganzenKatalog an Fragen mit insgesamt 187 einzelnen Punkten erhalten, dienun vorab für alle Kläger verbindlich geprüft werden sollen. Dabeigeht es unter anderem um die Frage, ob die Telekom den Wert ihrerImmobilien richtig angegeben hatte. Denn nach dem Börsengang hatteder Konzern die Buchwerte deutlich reduzieren müssen. Für diese Fragemuss das Gericht möglicherweise ein Sachverständigen-Gutachteneinholen, was rund ein Jahr dauern könnte.
Zunächst will sich die Kammer aber mit der Frage beschäftigen, obdie milliardenschwere Übernahme des US-Mobilfunkanbieters VoiceStreamzum Zeitpunkt des Börsengangs de facto bereits vereinbart war, ohnedass die Öffentlichkeit dies wusste. Auch hier waren später großeAbschreibungen notwendig. Nach Ansicht der Anwaltskanzlei Tilp würdees ausreichen, wenn der Prospekt zum Börsengang auch nur in einemeinzigen Punkt falsch gewesen wäre. Die Kläger hätten dann aus Sichtder Anwälte Anspruch auf die Rückzahlung der Differenz zwischen demAusgabepreis von 63,50 Euro und dem heutigen Wert oder demindividuellen Verkaufserlös. Am Freitag war die Telekom-Aktie bei11,18 Euro aus dem Handel gegangen.
Der aktuelle Streitwert in dem Prozess liegt bei 78,9 MillionenEuro, nachdem rund 1000 Kläger ihre zusammen 12,7 Millionen Euroschweren Klagen aufgegeben haben.
Für solche Mammut-Prozesse wie jetzt um den Telekom-Börsengang wareigens ein eigenes Gesetz geschaffen worden, mit dem die Verfahrenbeschleunigt werden sollen. «Der Gesetzgeber wollte erreichen, dassnicht 17 000 Kläger in Masse ein Unternehmen anklagen, sondern dassdurch ein Musterverfahren die Grundsatzfragen vor einemOberlandesgericht geklärt werden», erläuterte der Aktienrechts-Experte Rüdiger von Rosen in einem dpa-Gespräch.
Die Telekom sieht sich einer ganzen Reihe von Klagen ausgesetzt.So wurden auch die Prospekte für die erste und zweiteAktienplatzierung angefochten. Zudem klagen Aktionäre von T-Onlineauf einen höheren Übernahmepreis für ihre Anteile. Sie sehen sich beider Verschmelzung auf den Mutterkonzern mit einer Abfindung von 8,99Euro pro T-Online-Aktie finanziell benachteiligt.
Im Frankfurter Prozess wird es an den ersten beiden Tagenvoraussichtlich um die Klärung von Verfahrensfragen gehen. Für dendritten Verhandlungstag am 14. April hat das Gericht als erstenZeugen den früheren Telekom-Chef Ron Sommer geladen. Die Verhandlungfindet in einem eigens angemieteten Kongresszentrum statt.Theoretisch können sämtliche Kläger als Beigeladene an dem Prozessteilnehmen und über insgesamt rund 800 Anwaltskanzleien auch Fragenstellen. Damit wird allerdings nicht gerechnet - in der Masse derFälle geht es um Summen von jeweils rund 3500 Euro.
