Deutsche Bahn Deutsche Bahn: Katastrophaler Tag für Hartmut Mehdorn

Berlin/ddp. - Großmann hat Mehdorn in derVergangenheit in schwierigen Situationen oft energisch verteidigt.Doch als er am Freitagnachmittag nach der Bahn-Aufsichtsratssitzungaus dem DB-Tower kam, wirkte Großmann matt. Stundenlang hatte er sichdie Berichte der Sonderermittler zur Datenaffäre der Bahn angehörtund mit den anderen Aufsichtsräten über die Konsequenzen diskutiert.Jetzt sagte er knapp: «Ich stehe noch so sehr unter dem Eindruckdieser Sitzung, dass ich mich jetzt nicht weiter dazu äußern möchte»,er. Sekunden später ergänzte Großmann immerhin noch: «»Die Vorwürfesind sehr bedrückend. Wenn sie sich nicht entkräften lassen, ist dasUnternehmen in einer schwierigen Lage.«
Damit hat Großmann sich noch vorsichtig ausgedrückt. NachInformationen der Nachrichtenagentur ddp hatte er kurz zuvor imAufsichtsrat Mehdorns Rücktritt gefordert. Dies dementierte Großmannaber später. Den «Aachener Nachrichten» (Samstagausgabe), sagte er:«Das habe ich definitiv nicht. Zu keinem Zeitpunkt.»
Auch ein Staatssekretär des CDU-geführten Wirtschaftsministeriumswandte sich gegen eine solchen Schritt. Die Unions-Fraktion steckt ineiner Klemme: Stürzt Mehdorn jetzt, hat mit Verkehrsminister WolfgangTiefensee ein SPD-Mann das Vorschlagsrecht für einen Nachfolger, mitdem die Union nach der Bundestagswahl in einer anderenRegierungskonstellation jahrelang leben müsste.
Doch auch diese Interessenlage im Aufsichtsrat kann nichtverdecken, dass Mehdorn in der Ecke steht. Selbst beiArbeitgebervertretern im Aufsichtsrat sind die Berichte der Ermittlerscheinbar nicht ohne Wirkung geblieben. Der Erfurter UnternehmerNiels Lund Chrestensen sagte, die Vorwürfe müssten nun kurzfristiggeprüft werden. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Werner Müller,stieg ohne Kommentar in seine Limousine.
Der Tag hatte für Mehdorn schlecht begonnen, im Laufe desNachmittags entwickelte er sich zu einer Katastrophe. Um 16.30 Uhreröffneten die Gewerkschaftsbosse Alexander Kirchner (Transnet) undKlaus-Dieter Hommel (GDBA) im edlen Marriott-Hotel einePressekonferenz. Ihre Botschaft war klar: Die Deutsche Bahn habeMitarbeiter noch viel weitgehender überprüft, als es bisher bekanntgewesen sei. Um Sachlichkeit bemüht, sagte Kirchner: »Alle E-Mailsder Beschäftigten sind in den Jahren 2005 bis 2008 nach Suchbegriffenund Adressen gescannt worden.« Damit seien auch Gewerkschaftenwährend ihrer Arbeitskämpfe Opfer der Maßnahmen geworden. »Wir sindalle davon betroffen«, sagte Kirchner und forderte gemeinsam mitHommel der Rücktritt Mehdorns: »Er muss die politische Verantwortungfür diese Vorgänge übernehmen.«
Der angegriffene Bahnchef habe während der Sitzung erneutbeteuert, er habe von diesen Vorgängen nichts gewusst und derVorstand habe auch keine entsprechenden Aufträge erteilt. DieGewerkschafter zeigten sich da skeptisch. Mehdorn lässt sichrechtlich von dem renommierten Frankfurter Strafrechtler Hanns Feigenberaten. Am Abend sagte Mehdorn während einer Pressekonferenz inBerlin: «Jetzt wird mein Rücktritt gefordert», sagte er. «Hierfür,das sage ich ganz offen, stehe ich nicht zur Verfügung.»
Gleichzeitig wurde allerdings immer deutlicher, dass sowohl seineeigene Position als auch die juristischen Fragen für Mehdorns Zukunftzunehmend weniger relevant sein dürften. Seine Unterstützungbröckelte rasant. Verkehrsminister Tiefensee sagte: «Wenn sich dieVorwürfe bestätigen, wird es ganz, schwer.» MehrereSPD-Bundestagsabgeordnete wollten sich am Abend zu Mehdorns Schicksalnoch nicht endgültig festlegen, betonten aber: »Die Vorwürfe sprechendoch für sich."