Daumenschrauben-Offensive Daumenschrauben-Offensive: Arbeitsämter erhöhen Druck auf Jobsucher
Nürnberg/dpa. - Küpfer ist überzeugt:«Der Druck auf Arbeitslose ist eindeutig gestiegen. »
«Stärkung von Eigeninitiativen», «Fördern und Fordern»,«Aktivierung von Arbeitslosen» - die neue Daumenschrauben-Politik derBundesanstalt für Arbeit (BA) zur Mobilisierung von Erwerbslosen hatim Sprachgebrauch der Behörde viele Namen. Zwar hatten schon früheregesetzliche Regelungen das befristete Sperren von Arbeitslosengeldoder Arbeitslosenhilfe erlaubt. Das zum Jahresanfang 2002 in Kraftgetretene Job-Aktiv-Gesetz hat allerdings das Instrumentarium zurKontrolle der Arbeitsbereitschaft Arbeitsloser verfeinert, die Hartz-Reformen haben diese Politik eher noch verschärft.
So verpflichten etwa Eingliederungsvereinbarungen Arbeitslose zurexakt definierten Eigeninitiative - etwa zur Versendung von fünfBewerbungen bis zum nächsten Arbeitsamt-Termin. Mit «verstetigtenTrainingsmaßnahmen», die praktisch schon am nächsten Tag beginnen,teste man auch schon mal die Verfügbarkeit von Arbeitslosen,berichtet die Nürnberger Arbeitsvermittlerin Evelyn Hanzhanz. «Werdann ablehnt, weil er aus diesem oder jenem Grund nicht kann, demdroht eine Sperrzeit,» berichtet die Arbeitsamt-Mitarbeiterin aus derPraxis. «Das wird aber sehr individuell gehandhabt», schränktHanzhanz ein.
Nach Einschätzung des Frankfurter Arbeitslosen-Zentrums nehmenmanche Kontrollmaßnahmen inzwischen geradezu Schikane-Charakter an.So seien Erwerbslose gezielt an so genannten Brückentagen zu Terminenins Arbeitsamt geladen worden. Hätten sie dann das lange Wochenendetrotzdem zu dem schon seit Wochen geplanten Kurzurlaub genutzt, seiensie mit einer mehrwöchigen Sperrzeit belegt worden.
Ähnliche Erfahrungen hat auch die Koordinierungsstellegewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen in Bielefeld gemacht. Sowürden etwa Alleinerziehende so kurzfristig zu Trainingsmaßnahmenverpflichtet, dass sie keine Kinderbetreuung mehr organisieren unddeshalb an der Schulung nicht teilnehmen könnten. Andere Arbeitsloseerhielten während eines angemeldeten Urlaubs eine Meldeaufforderungfür den frühen Morgen nach der Rückkehr. «Wer nicht direkt in denBriefkasten schaut, sondern erstmal Koffer auspackt, versäumt denTermin und riskiert eine Strafe», berichtet die gewerkschaftsnaheInitiative.
Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, hält esfreilich für legitim, wenn Arbeitsvermittler genauer überprüften, obein Arbeitsloser auch wirklich zur kurzfristigen Übernahme eines Jobsbereitstehe. Schließlich gehe es um die Milliarden derBeitragszahler, mit denen verantwortungsvoll umzugehen sei.Tatsächlich drohte der aktuelle Haushalt der Bundesanstalt zeitweiseaus dem Ruder zu laufen, weil die Ausgaben für Arbeitslosengeld wegender steigenden Arbeitslosigkeit in diesem Jahr stark angestiegensind.
Der erhöhte Druck auf die Arbeitslosen schlägt sich längst auch inder Arbeitsmarktstatistik nieder - und macht eine Interpretation desZahlenmaterials zunehmend schwierig. So fielen seit Jahresbeginn rundmehr als eine Millionen Arbeitslose aus der Arbeitsmarktstatistikheraus, ohne eine neue Stelle gefunden zu haben. Allein im Oktobermeldeten sich mehr als 336 000 Männer und Frauen bei denArbeitsämtern ab - in ein ungewisses Schicksal. Das sind 68 600 mehrals im Oktober 2002. Als Gründe vermuten Fachleute unter anderemResignation. FALZ-Vertreter Küpfer: «Die Leute wissen gar nicht mehr,wo sich noch bewerben sollen. Es gibt eben keine Stellen mehr.»