1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Corona-Hotspots: Corona-Hotspots: Experte fordert "regionale Lockdowns"

Corona-Hotspots Corona-Hotspots: Experte fordert "regionale Lockdowns"

11.05.2020, 20:45
Greiz ist einer der deutschen Corona-Hotspots.
Greiz ist einer der deutschen Corona-Hotspots. imago stock&people

Greiz - Bei Gewerbetreibenden in Greiz herrscht Unsicherheit. Müssen sie wegen der hohen Corona-Infektionsrate im Landkreis bald wieder schließen? „Es wäre fatal, das Rad wieder zurückzudrehen“, sagte am Montag Siegmar Richter, der mit seiner Frau Susanne zwei Modegeschäfte in der Stadt betreibt. Ein Kunde, der an diesem Montag gerade zwei Hosen gekauft hat, fürchtet, dass bei einem neuerlichen Lockdown die Wirtschaft „ganz den Bach runtergeht“. „Für uns wären neue Einschränkungen ganz schlimm“, meinte Nadja Zölle, Inhaberin eines Reisebüros. Denn nach Wochen ohne jegliche Einnahmen würden Kunden gerade wieder erste Reisen buchen.

Der Kreis Greiz mit rund 98 000 Einwohnern gehört zu den aktuellen Brennpunkten der Corona-Pandemie bundesweit. Seit mindestens einer Woche liegt die Infektionsrate pro 100 000 Einwohnern über der kritischen Marke von 50. In dem Fall sieht ein Beschluss von Bund und Ländern einen Notfallmechanismus mit regionalen Beschränkungen vor. Doch wie die in den betroffenen Thüringer Regionen - inzwischen hat auch der Kreis Sonneberg die kritische Marke überschritten - konkret ausfallen, blieb zu Wochenbeginn unklar. Am Montag bezifferte die Staatskanzlei die Infektionsrate im Kreis Greiz auf 75,4, im Kreis Sonneberg auf 64,1. Alle anderen Thüringer Regionen lagen unter 50.

„Wir werden uns eisern an die Verordnung des Landes halten“, sagte die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU). Die neue Thüringer Corona-Verordnung soll am Dienstag vorgestellt werden und am Mittwoch in Kraft treten.

Außerdem hat das Gesundheitsministerium Empfehlungen einer Arbeitsgruppe (Task Force) für die besonders betroffenen Regionen angekündigt. Auch aus dem Kreis Sonneberg hieß es, man wolle zunächst die neue Verordnung des Landes abwarten. Geschäfte wieder zu schließen, die für Freitag (13. Mai) angedachte Öffnung von Gaststätten in Thüringen auszusetzen oder gar eine Quarantäne für den Landkreis lehnt Schweinsburg ab. „Ich mache keine Symbolpolitik“, bekräftigte sie und verwies erneut auf die Nähe zu anderen Landkreisen und Bundesländern.

Die Infektionsketten seien genau nachvollziehbar und die Infektionsschwerpunkte lägen bei den Pflegeheimen, betonte Schweinsburg. Deswegen werde lediglich das Besuchsverbot in den Pflegeheimen und Krankenhäusern fortgesetzt, während im übrigen Thüringen von Mittwoch (13. Mai) an eine Lockerung geplant ist. Darüber müssen sich weiterhin Bewohner und Beschäftigte von sechs betroffenen Pflegeheimen regelmäßigen Tests unterziehen. Dazu sollen von Dienstag an Sanitäter der Bundeswehr aushelfen.

Dagegen hat die Deutsche Stiftung Patientenschutz rigide Beschränkungen bei hohen Infektionszahlen angemahnt. „Es muss zu regionalen Lockdowns kommen“, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Dazu gehöre nicht nur der Verzicht auf geplante Lockerungen etwa in der Gastronomie, sondern auch frühere Beschränkungen wieder in Kraft zu setzen und beispielsweise Geschäfte wieder zu schließen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass mehrere Landkreise in Deutschland die Obergrenze reißen, dort aber kein neuer Lockdown ausgerufen werde.

Brysch kritisierte zudem, dass die Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner „politisch willkürlich“ festgelegt sei. Er sieht die Obergrenze eher bei einer Quote von 35, um frühzeitig Schritte ergreifen und einen Ausbruch eindämmen zu können.

Kritik an der 50er-Marke kommt auch vom AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Lauerwald: „Die Festlegung auf die Anzahl der Neuinfektionen ist völlig unwissenschaftlich, solange man nicht die Zahl der insgesamt Getesteten dazu ins Verhältnis setzt.“ Die Quote dürfe daher nicht als Grundlage für Einschränkungen des öffentlichen Lebens dienen.

Reiseunternehmerin Zölle befürchtet, dass neue Beschränkungen zu mehr Unmut in der Bevölkerung führen. „Die Menschen haben gerade erst wieder eine kleine Freiheit gewonnen“, betonte sie. Da im Kreis Greiz vor allem Pflegeeinrichtungen betroffen sind, sollten sich die Maßnahmen gegen das Virus auch auf diese konzentrieren. (dpa)