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Continental übernimmt Siemens-Sparte VDO

25.07.2007, 17:35

Hannover/München/dpa. - Mit der milliardenschweren Übernahme der Siemens-Sparte VDO steigt Continental zu einem der fünf weltgrößten Autozulieferer auf. Nach einem Preispoker zahlt Conti 11,4 Milliarden Euro für das Unternehmen mit seinen rund 50.000 Mitarbeitern.

Es ist die mit Abstand größte Übernahme in der Conti-Geschichte. Vorstandschef Manfred Wennemer sagte am Mittwoch in Hannover, VDO sei eine "hervorragende Ergänzung", Conti verstärke sich vor allem in den Wachstumssegmenten der Autoelektronik. Einen Stellenabbau schloss er nicht aus, konkrete Pläne gebe es aber nicht. Continental setzte sich in einem harten Bieterkampf um VDO gegen den US-Zulieferer TRW durch, hinter dem der US-Finanzinvestor Blackstone steht.

Ursprünglich hatte Siemens einen VDO-Börsengang geplant. Allerdings hatte Conti von Anfang an großes Interesse an einem Komplettkauf gezeigt und auch politische Unterstützung dafür bekommen. Continental und Siemens VDO kommen zusammen auf einen Jahresumsatz von rund 25 Milliarden Euro und knapp 140.000 Beschäftigten weltweit, davon rund 49.000 in Deutschland. Weltweiter Marktführer ist Bosch.

Wennemer sagte, Conti und VDO hätten nun die notwendige Größe, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und ein Gegengewicht zu den amerikanischen und japanischen Autozulieferern zu bilden. Weder Conti noch VDO waren bisher unter den Top Ten der Branche weltweit. Zusammen sind sie nun nach Conti-Angaben international Nummer fünf.

Auch Siemens zeigte sich mit dem Verkauf zufrieden. "Conti hat den besten Preis bezahlt", sagte Siemens-Chef Peter Löscher am Mittwoch bei einer Telefonkonferenz. Da aber spekuliert worden war, dass Conti bis zu 12 Milliarden Euro zahlen könnte, sank der Siemens-Aktienkurs zwischenzeitlich um mehr als fünf Prozent auf unter 100 Euro. Dazu trug auch bei, dass Siemens in München zugleich den Kauf des US- Medizintechnik-Unternehmens Dade Behring für umgerechnet 5 Milliarden Euro angekündigt hat. Dieser Preis wurde von Analysten als sehr hoch eingestuft.

Conti erhofft sich von der VDO-Übernahme, die noch von den Kartellbehörden genehmigt werden muss, Synergien in Höhe von mindestens 170 Millionen Euro ab dem Jahr 2010. Der Vollzug des VDO- Erwerbs wird bis Ende des Jahres erwartet, die vollständige Integration soll Ende 2009 abgeschlossen sein.

Continental stärkt mit VDO vor allem sein Autoelektronik-Geschäft. Dies gilt als Wachstumsmarkt. In den vergangenen Jahren hat sich der Konzern durch Zukäufe von einem Reifenhersteller zu einem Komplett- Zulieferer rund ums Auto gewandelt, der VDO-Kauf treibt diese Entwicklung nun weiter voran. Ein Verkauf der Sparten ContiTech und Reifen sei aber nicht geplant, sagte Wennemer.

Conti sei mit VDO in entscheidenden Wachstumsmärkten wie Sicherheit, Bremsen, Chassis, Motor und Getriebe oder Telematik/Infotainment "herausragend" im weltweiten Wettbewerb aufgestellt. Es gebe zudem kaum "Überlappungen", sondern ein "ungeheures Potenzial", sagte Wennemer. Conti habe aufgeschlossen zu den Großen in der Branche. Mit der Übernahme baue der Konzern, dessen Zentrale weiter in Hannover ist, seine Marktposition in Europa, Nordamerika und Asien maßgeblich aus.

Wennemer sagte zudem, es sei "völlig klar", dass es im Zuge der Übernahme auch zu Restrukturierungsprozessen kommen werde. Conti führe die von Siemens eingeleitete Restrukturierung bei VDO weiter, habe aber zudem noch keinen detaillierten Einblick in die einzelnen Standorte. Es gebe aber einen Eckpunkte-Vertrag mit den Gewerkschaften. Dieser sehe unter anderem die Übernahme von Pensionsverpflichtungen und Betriebsvereinbarungen sowie Standortzusagen vor. Dies seien aber keine "Garantien", sagte Wennemer. Es sollten gemeinsam mit den Gewerkschaften "Lösungen" gefunden werden.

Die VDO-Arbeitnehmer hatten sich aus Sorge um Arbeitsplätze gegen einen Verkauf des Unternehmens ausgesprochen. Conti hat derzeit weltweit rund 85 000 Beschäftigte, VDO rund 53 000.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der sich vehement für einen Verkauf von VDO an Conti und nicht an die Amerikaner von TRW und Blackstone ausgesprochen hatte, erklärte, die Entscheidung sei gut für Siemens, die Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort Niedersachsen.

Continental hatte in dem Bieterkampf um VDO auch auf das nationale Interesse verwiesen. Bestimmte Schlüsselindustrien und -technologien dürften in Deutschland nicht verloren gehen, hieß es. Wennemer sagte, der Rückenwind durch Wulff habe "nicht geschadet".

Wennemer sagte zudem, er glaube, nach der VDO-Übernahme sei Continental "erst mal nicht" mehr auf der Liste der möglichen Übernahmekandidaten. Bei einem Verkauf von VDO an TRW und Blackstone hatte es in Hannover Befürchtungen gegeben, dass Conti in diesem Fall selbst zum Übernahmeziel der Amerikaner werden könnte.

Weitere Zukäufe schloss der Conti-Chef nicht aus. In den nächsten Jahren gebe es aber keine "Mega-Übernahmen" mehr. Conti finanziert den VDO-Kauf vor allem auf Pump, so dass der Schuldenstand deutlich steigt. Zudem ist eine Kapitalerhöhung von bis zu zehn Prozent geplant, dies würde bis zu 1,5 Milliarden Euro in die Kasse spülen.