Chemie Chemie: «Der Standort Leuna hat Zukunft»
LEUNA/MZ. - Der Münchner Gase-Hersteller Linde ist seit 20 Jahren wieder am Chemiestandort Leuna tätig. 450 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen vor Ort. In Leuna entsteht derzeit auch die Fernleitzentrale zur Überwachung von europaweit 70 Anlagen, sagte Vorstandschef Wolfgang Reitzle am Donnerstag bei einer Festveranstaltung in Leuna. Rund 40 neue Stellen entstehen. MZ-Redakteur Steffen Höhne sprach mit ihm über das Gase-Geschäft, die Bedeutung von Leuna und Zukunftsprojekte.
1902 erfand Carl von Linde das Verfahren, Luft in seine Bestandteile zu verlegen. Ist die Gase-Herstellung noch ein Zukunftsgeschäft?
Reitzle: Mehr denn je, denn das Gasegeschäft ist ein stabiles Geschäft. Es gibt kaum eine Industrie, die nicht in irgendeiner Form für die unterschiedlichsten Anwendungen Gase nutzt. Egal, ob wir von der chemischen Industrie sprechen, von der Stahlindustrie, der Lebensmittelindustrie, der Solarindustrie, dem Energiesektor oder in der Medizin - Gase werden überall eingesetzt. Die Breite verleiht Stabilität, weil für die unterschiedlichen Kunden auch verschiedene Konjunkturzyklen gelten.
Wie entwickelt sich der deutsche Markt?
Reitzle: Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung wächst auch der deutsche Gasemarkt wieder, wenn auch nicht so dynamisch wie etwa in den Schwellenländern Asiens oder Südamerikas. Deutschland ist für uns schon allein von der Größe ein wichtiger Markt, und mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent sind wir hier die Nummer Eins.
Welche Bedeutung hat der Standort Leuna im Linde-Konzern? Was wurde investiert?
Reitzle: Leuna ist einer unserer modernsten und größten Gase-Standorte in Europa. Wir haben seit 1991 insgesamt etwa 500 Millionen Euro in Leuna investiert und den Standort Schritt für Schritt erweitert. Und die heutige Eröffnung unserer europäischen Fernschaltzentrale zeigt: Der Standort hat Zukunft.
Was sprach für Leuna?
Reitzle: Wir haben mehrere Standorte geprüft und uns für Leuna entschieden, weil hier die meisten Produktionseinheiten vorhanden sind und es auch genügend gut ausgebildete Ingenieure gibt. Von Leuna aus werden demnächst rund 70 Anlagen zur Luftzerlegung in ganz Europa überwacht.
In Leuna hat Linde auch eine Wasserstoff-Verflüssigungsanlage gebaut. Vom Zukunfts-Kraftstoff Wasserstoff hört und liest man derzeit jedoch wenig.
Reitzle: Wir sehen uns nach wie vor als Vorreiter bei der Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie. Wir betreiben ja in Leuna nicht nur eine hochmoderne Wasserstoff-Verflüssigungsanlage, sondern testen derzeit auch eine Pilotanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Rohglycerin. Und wir sind nicht allein. Eine breite Allianz von Autoherstellern, Energie- und Öl-Konzernen setzt sich mittlerweile für die Verbreitung der Wasserstofftechnologie ein, beispielsweise im Rahmen der H2-Mobility-Initiative. Ziel dieser Initiative ist es, die Zahl der Wasserstofftankstellen in Deutschland von 2013 an Schritt für Schritt auf rund 1 000 zu erhöhen. Das Auto der Zukunft wird wohl Elektromotoren haben. Für den Stadtverkehr reichen da Batterien, für längere Strecken bietet sich dagegen die Brennstoffzelle in Verbindung mit Wasserstoff als Kraftstoff an. Der Vorteil dieser Technologie: Das Tanken dauert nur drei Minuten und die Reichweite beträgt über 400 Kilometer.
Braucht es mehr Unterstützung vom Staat?
Reitzle: Grundsätzlich ist eine staatliche Förderung wichtig, um einer neuen Technologie zum Erfolg zu verhelfen. Die Technik muss aber das Potenzial haben, später auch ohne Subventionen auszukommen.
Viele energieintensive Konzerne beklagen die steigenden Energiepreise durch erneuerbare Energien und Ökosteuer.Linde auch?
Reitzle: Es ist wichtig, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Chemieindustrie, zu der Linde zählt, nicht zu gefährden. Die Chemieindustrie benötigt kalkulierbare Energiepreise, um erfolgreich wirtschaften zu können. Deshalb sollten die bestehenden Belastungsgrenzen bei der Energiesteuer für die energieintensiven Industrien beibehalten werden. Eines ist wichtig: Energiepolitik ist nicht nur Umwelt-, sondern auch Industriepolitik.