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Chancen für Mitteldeutschland Chancen für Mitteldeutschland: Der Standort muss auf andere Stärken setzen

Von Andreas Montag 12.02.2006, 17:22

Halle/MZ. - Das hat nichts mit billigem Trost zu tun, und es leugnet auch nicht die Tatsache, dass in Mitteldeutschland seit vielen Jahren große Not bei jenen herrscht, die der Arbeitsmarkt trotz ihrer beruflichen Qualifikation als "überflüssig" aussortiert hat. Wer hier noch Hoffnungen auf alsbald wieder ausbrechende Vollbeschäftigung nährt, handelt verantwortungslos.

Eben hat der kanadische Konzern Bombardier sein endgültiges Nein zu jeglicher Zukunft für den Waggonbau in Halle-Ammendorf gesagt - es wird wohl niemand wirklich überrascht haben. Empört hingegen schon. Man kann in der Tat auf böse Fragen (und entsprechende Antworten) kommen, wie solch ein Weltunternehmen sich die Märkte passend organisiert - um nicht zu sagen: bereinigt.

Unter dem Strich bleibt eine bittere Bilanz für die Betroffenen, aber auch für die Stadt Halle als einen der wichtigsten Standorte in der mitteldeutschen Region. Nachdem auch aus der jüngst noch ruhmredig erwarteten Ansiedlung einer Computer-Produktionsstätte des Herstellers Dell nichts geworden ist (aber immerhin ein Call-Center zu Buche schlug), muss man wohl nüchtern sagen: Als Ort wachsender industrieller Produktion darf man Halle wohl künftig nicht sehen - die Karawane des globalen Kapitals ist längst ostwärts weiter gezogen. Dem Tag, da die Erdumrundung vollbracht sein wird, kann man allerdings mit einiger Spannung (und Furcht) entgegen sehen.

Dessen ungeachtet: Vor Ort muss, wie immer nach Niederlagen, der Blick auf das Eigene - und nach vorn gerichtet werden. In Leuna und Buna wie im Raum Bitterfeld, Wolfen und Thalheim haben sich neue, höchst potente Wirtschaftskerne entwickelt, die der Region zu Kraft wie Ansehen verhelfen.

Halle hingegen kommt eindeutig nicht umhin, ganz auf seine verbliebene Stärke zu setzen, die zu unterschätzen nur töricht genannt werden kann: Forschung und Bildung, Kultur und Kunst. Wer hier aber hartnäckig von den so genannten weichen Standortfaktoren spricht, hat die harte Realität vielleicht noch gar nicht begriffen.

Tatsächlich wird sich Halle (wie der Osten Deutschlands fast generell) zu allem Überfluss auf eine stetig weiter schrumpfende Bevölkerungszahl einzustellen haben - umso besser ist die Stadt beraten, ihre Universität und die mit ihr vernetzten Institute als Kraftquell und Jungbrunnen zu schätzen.

Das gilt in gleichem Maße für die Kunsthochschule, Galerien und Bühnen, für Künstler und alle anderen Zukunftsarbeiter, die im Verein die nächsten 1 200 Jahre angehen müssen. Selbstbewusstsein braucht es dazu, nun erst recht. Und ein bisschen Stolz.