CDU-Parteitag in Stuttgart CDU-Parteitag in Stuttgart: Duell der Köpfe
Aber die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin ließ den Moment verstreichen, als ihr langjähriger Rivale Friedrich Merz nach einem bemerkenswerten Plädoyer für ein Aussetzen der kalten Progression schon zum 1. Januar 2009 das Rednerpult wieder freigab. Hätte die Parteichefin ihm für seinen Beitrag gedankt und signalisiert, dass die Idee zumindest bedenkenswert sei, stürmischer Beifall des Parteitags wäre ihr sicher gewesen. Schließlich hatte der Finanz- und Wirtschaftsfachmann Merz der Kanzlerin sogar in wichtigen Punkten zugestimmt: Weder sollte eine grundlegende Steuerreform über das Knie gebrochen werden, noch sei das Geld für Steuergeschenke da.
In Stuttgart hat sich eine CDU präsentiert, die nicht mehr im alten Sinne vor allem "Kanzlerpartei" ist. Zu offenkundig war, dass der Union ohne die beliebte Kanzlerin zwar das wichtigste Aushängeschild fehlen würde, aber die interessantesten Debattenbeiträge nicht von ihr, sondern von ihren Stellvertretern oder eben einem Friedrich Merz kamen. Die Union präsentierte sich in ihrer thematischen Vielfalt als Volkspartei, auch ohne dass der eigenwillige bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer anreiste und sprach. Im Unterschied zum letzten Wahlparteitag vor zwei Jahren in Dresden hörten sich die Vertreter der Flügel diesmal allerdings zu und verzichteten darauf, sich gegenseitig Niederlagen zuzufügen. 15 Wahlen im kommenden Jahr, von der Bundestags- und Europawahl über fünf Landtagswahlen bis zu acht Kommunalwahlen, haben dazu beigetragen, dass die CDU ihre Reihen wieder schließt. Aber das einigende Band ist in diesen Tagen einmal mehr die wachsende Sorge vor den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die führenden Köpfe suchen darauf noch nach Antworten - unabhängig von der Parteivorsitzenden. Die empfahl, ganz im Sinne von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, die Soziale Marktwirtschaft als das Allheilmittel gegen die Unbilden der Weltwirtschaft.
Rüttgers selbst verband geschickt das fast schon sozialdemokratische Motto "wir lassen niemanden zurück" mit einem Appell an den Patriotismus der Unternehmer. Merkel ließ ihm dafür viel Raum, auch für seinen Hinweis, die CDU müsse als "wertegebundene" Partei den Erfolg suchen. Hessens geschäftsführender Ministerpräsident Roland Koch übernahm hingegen den Part, trotz aller Ängste Optimismus zu wecken. Auch dieser Punkt kam in der Rede der Kanzlerin zu kurz.
Merz, Rüttgers und Koch deckten die Defizite der Parteichefin auf. Aber zumindest bis zur Bundestagswahl ist damit keine Putschdrohung verbunden. Tatsächlich wird die Union nur gemeinsam Erfolg haben. Merkels Hinweis, im Zweifelsfalle könne die Regierung "blitzschnell" handeln, darf zudem als offene Tür für weitere Konjunkturmaßnahmen im nächsten Jahr verstanden werden.
Kontakt zur Autorin:Sibylle Quenett