Bürgerschaftswahl in Hamburg Bürgerschaftswahl in Hamburg: Den etablierten Parteien fehlt es an Flexibilität
Halle/MZ. - Obwohl die politische Situation nicht so verzwickt wie die nach der Landtagswahl in Hessen ist, zeigt sich auch in der Hansestadt: Das aktuelle Wählerverhalten macht eine Regierungsbildung bestenfalls langwierig, schlimmstenfalls unmöglich. Verantwortung dafür tragen aber die Parteien selbst, die drei Dinge nicht ausreichend verinnerlicht haben.
Erstens: Das klassische Lager-Denken - hier bürgerlicher Konservativismus, dort linke Mitte - geben Wähler zunehmend auf. Programmatisch zementierte Weltbilder sind als Maßstab bei der Stimmabgabe nicht ausschlaggebend. Vielmehr sind es die Haltungen in einzelnen Sachfragen, die als Motivation dienen, an dieser oder lieber jener Stelle ein Kreuz zu machen. Der politischen Kultur kann das zuträglich sein, weil ein Wahlverhalten, das auf ideologischen Gewohnheiten beruht, selten zur Problemlösung beiträgt. Für die Parteien wird der Wähler aber unberechenbar, taktisches Kalkül somit erschwert.
Zweitens: Politische Bündnisse ergeben sich nicht mehr zwangsläufig. Vieles ist möglich. Selbst Schwarz-Grün, bisher auf Landesebene nur bei kühnen Vordenkern ein Thema, ist gestern in Hamburg aus dem Nebel des Utopischen ins Licht realer Überlegungen getreten. Bei der Regierungsbildung fehlt den Parteien ein weit größeres Maß an Flexibilität und Beweglichkeit, auch im Hinblick auf Dreier-Konstellationen. Scheinbar kompromisslose, im Nachhinein nur durch unglaubwürdige verbale Verrenkungen wieder zurückholbare Koalitionsaussagen vor der Wahl sind da wenig hilfreich - siehe Hessen.
Drittens: Die Linke ist im Westen nicht im Kommen, sie ist schon da. Die Partei wirbelt die Mehrheitsverhältnisse heftiger durcheinander, als es die politischen Gegner zugeben. Der sichere Sprung über die Fünf-Prozent-Marke in Hamburg ist ein weiterer Beleg für die Einfältigkeit von Analysten quer durch das Parteienspektrum. Die Behauptung nämlich, der deutliche Zuspruch für Links speise sich zuvorderst aus einem Frustpotenzial enttäuschter Wähler etablierter Parteien, ist zu oberflächlich und spielt den Linken in die Hände. Die Bewegung ist keine Eintagsfliege. Nur inhaltliche Auseinandersetzung in der Sache entlarvt ihren sozialromantischen Zauber als realitätsferne Gefühlsduselei.
Die Wahlen in Hessen, aber auch in Hamburg haben gezeigt, dass die Altparteien gut beraten sind, wechselnde Rollenspiele auf Landesebene einzuüben. Ein schwarz-grünes Bündnis an der Alster wäre da doch ein hübscher Anfang.
Kontakt zum Autor:Jörg Biallas