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Brehna Brehna: Schneller Wandel in Top-Lage

Von Rainer Gummelt 08.04.2005, 14:24

Brehna/MZ. - Das passt zu Brehna. Die über 950 Jahre alte Stadt hat in den vergangenen 15 Jahren einen atemberaubenden Wandel vollzogen. Aus einer Agrarstadt wurde ein Industriestandort. 1990 waren 600 Menschen in zwei landwirtschaftlichen Großbetrieben beschäftigt, erinnert sich Bürgermeister Wolfgang Biedermann (SPD). Landwirtschaft war neben dem Braunkohlenrevier und der Chemieindustrie um Bitterfeld der Hauptarbeitgeber. Auf dem Acker und in Ställen verdienen heute bestenfalls noch 20 ihren Lebensunterhalt. Heute gibt es in zwei neuen Gewerbegebieten 80 Firmen. Sie haben 95 Millionen Euro investiert. Ein Drittel sind Handels-, zwei Drittel Industriebetriebe. 2 200 Jobs sind entstanden. Insgesamt gibt es heute 2 800 Arbeitsplätze in Brehna. Das sind mehr als der Ort vor 15 Jahren Einwohner hatte. Es dominieren in den beiden insgesamt 90 Hektar großen Gewerbe-und in Industriegebieten Firmen der Ernährungswirtschaft, Pharmabranche und Metallverarbeitung. Bürgermeister ist Biedermann für 3 027 Einwohner. Der Ort ist um gut 350 Seelen gewachsen. Es könnten noch viel mehr sein, sagt der gebürtige Thüringer, der seit Jahrzehnten in Brehna lebt. Aber es fehlen Wohnungen. Leerstand und Abriss wie an anderen Orten ist Biedermann fremd. Sei Problem heißt Wohnungsmangel, ein in Ostdeutschland selten gewordener Zustand.

Günstige Lage

Die Kleinstadt hat sich den Aufschwung etwas kosten lassen. Schnell hatte man nach dem Fall der Mauer erkannt, wie günstig ihre geostrategische Lage ist. Gelegen an den Verkehrs- und Wachstumsachsen Leipzig-Halle und Berlin-München wird sie auch durch den nahen Flughafen und den Bahnanschluss aufgewertet. 25 Millionen Euro hat die Kommune in den Hand genommen, um die Gewerbegebiete zu erschließen und Investoren anzulocken.

Dass das gelungen ist, führt Biedermann auch auch auf das unternehmerfreundliche Klima in der Stadt und im Kreis zurück. Ein Arbeitskreis "Mittelstand in Brehna" kümmert sich um Unternehmer, bringt Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer zusammen. "Wir rennen uns für die Unternehmen die Hacken ab", erklärt der ehrenamtliche Bürgermeister, der im Hauptberuf in der Baufirma seines Sohnes arbeitet.

"Wir wollen, dass Firmen auch Verantwortung für das Territorium übernehmen. In Deutschland ist dieser Geist verloren gegangenen. Hier ist ein Hauch davon zu spüren, freut sich Biedermann über die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Unternehmen.

Trotz des Aufschwunges kann er nicht aus dem Vollen schöpfen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Viele in Brehna Beschäftigte kommen von weither. Dorthin fließt auch ihre Einkommenssteuer. "Das ist ungerecht", empfindet Biedermann diese Regelung. "Wir schaffen die Jobs und investieren. Andere Kommunen profitieren davon." Auch von der Gewerbesteuer fließe zu wenig in die Stadtkassen. Denn die ist vom Gewinn abhängig. Da viele Firmen aber investieren, erneuern und erweitern schaffen sie nicht nur Jobs, sondern auch Abschreibungsmöglichkeiten. "Unsere Einnahmen aus den Gewerbesteuern", so Biedermann, "reichen nicht mal aus, die Zins- und Tilgungsraten für die Erschließungskredite zu begleichen.

Mutige Strategie

Der Preis dieser Strategie ist hoch. In die Gewerbegebiete sind viele Millionen geflossen. An bedürftigen Straßen, Kanälen, Kindereinrichtungen und Schulen sind sie vorbeigeleitet worden. Ihre Sanierung hat darunter gelitten, gibt Biedermann zu. Das Kopfsteinpflaster der Straße, in der das Rathaus steht, dürfte aus dem 19. Jahrhundert oder noch älter sein. Die Strategie sei trotzdem richtig. Es gehe um die Zukunft, sagt Biedermann. Am wenige Autobahnkilometer entfernten Flughafen entsteht das Luftdrehkreuz der Posttochter DHL. Es keimt die Hoffnung, dass in deren Schlepp Investoren auch nach Brehna finden. Die nächsten 100 Hektar Gewerbegebiet sind bereits geplant.