"Breaking Bad" "Homeland" oder "House of Cards" "Breaking Bad" "Homeland" oder "House of Cards": Serien oft besser als Hollywood

Halle (Saale) - Der Tower of London musste es schon sein. Als die fünfte Staffel des Fantasy-Mittelalter- Epos „Game of Thrones“ im März Weltpremiere feierte, da inszenierten HBO und Sky Atlantic das mit einem Aufwand, der früher Hollywood-Blockbustern vorbehalten war.
Der Hype um die Verfilmung der Romane von George R.R. Martin ist der neue Höhepunkt einer unaufhaltsamen Entwicklung: Fernsehen ist das neue Kino und der Pay-TV-Kanal HBO ist vielen Schauspielern, Regisseuren und Drehbuchautoren mittlerweile lieber als Hollywood. Hätte man vor zehn oder 15 Jahren noch verwundert den Kopf geschüttelt, wenn Kinostars wie Kevin Spacey oder Matthew McConaughey Serienrollen übernommen hätten, gehört es heute fast schon zum guten Ton.
Vielleicht fing alles vor fast genau 25 Jahren mit der Serie „Twin Peaks“ – die jetzt vor einer Neuauflage steht – an, vielleicht knapp zehn Jahre später mit den „Sopranos“. Gute Serien hat es immer schon gegeben, aber die Zahl an hochwertigen Produktionen, die seit einigen Jahren größtenteils aus den USA zu uns kommt, ist gewaltig.
Es ist erstaunlich, dass viele Menschen bereit sind, stundenlang einer Geschichte zu folgen, in einer Zeit, in der häufig beklagt wird, die Aufmerksamkeitsspanne von Zuschauern nehme aufgrund der Schnelllebigkeit des Internets, durch kurze Clips bei Youtube und Neuigkeiten im Sekundentakt bei Twitter, Facebook und Instagram ab.
Horizontales Erzählen
Egal wie unterschiedlich „Breaking Bad“ und „Homeland“, „House of Cards“ oder „True Detective“ ansonsten auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: Sie erzählen über eine lange Zeitspanne eine zusammenhängende Geschichte. Horizontales Erzählen nennt man das, wenn eine Episode nicht in sich abgeschlossen ist, wenn es einen Handlungsbogen gibt, der sich über viele Folgen oder gar Staffeln erstreckt. Wer verstehen will, worum es geht, muss jede Minute sehen.
Das geht nicht nebenbei. Diese Art, Geschichten zu erzählen, ist nicht neu, aber sie ist in den vergangenen Jahren perfektioniert worden. Und das Medium Fernsehen, das ansonsten das Internet als Konkurrent um Aufmerksamkeit fürchtet, profitiert in diesem Punkt ganz erheblich von ihm. Denn erst seit es möglich ist, bei Diensten wie Watchever oder Netflix Serien am Stück zu gucken und verpasste Folgen in Mediatheken auch nach der Ausstrahlung abrufbar sind, können sich Drehbuchautoren und Produzenten leisten, ihre Geschichten so anspruchsvoll zu gestalten.
Der Gedanke, dass man sich im Wohnzimmer zu einer festen Zeit vor einem Fernseher versammeln muss, erscheint Menschen unter 30 absurd. Lineares Fernsehen wird auch weiter Bestand haben, aber das nichtlineare Fernsehen macht horizontales Erzählen überhaupt erst möglich.
Eine Serie hat gegenüber einem Kinofilm einen entscheidenden Vorteil: Sie hat Zeit. Und die wissen gute Kreative zu nutzen. Sie können über eine lange Spanne Charaktere entwickeln, die dem Zuschauer näher kommen, als es eine Figur in einem Hollywood-Blockbuster je könnte. Die neuen erfolgreichen Serien haben dem Fernsehen, diesem Medium, das häufig mit minderer Qualität assoziiert wird, eine neue Blütezeit verschafft.
Eigenproduktionen von Netflix und Amazon
Doch der Erfolg ist trügerisch, denn niemand braucht heutzutage noch einen Fernsehsender, um eine erfolgreiche Serie zu produzieren. Netflix und Amazon machen es mit Eigenproduktionen wie „House of Cards“, „Orange is the new black“ oder „Transparent“ vor. Diese Serien werden zum Teil nie bei einem klassischen Fernsehsender zu sehen sein, sondern nur auf den jeweiligen Portalen gestreamt.
Mit den neuen Verbreitungswegen verändert sich auch der Blick der Produzenten auf die Serien. Heute geht es darum, Programmmarken zu erschaffen, die Menschen dazu bringen, Abos abzuschließen. Die Einschaltquote, seit Jahrzehnten die entscheidende Währung der Fernsehwelt, ist da nur noch zweitrangig. Für die Kreativen haben diese neuen Produktionswege einen weiteren Vorteil.
Bei einem TV-Sender sprechen über die Redaktion bis in die Chefetagen so viele mit, dass eine gute Idee am Ende häufig verwässert oder gar nicht erst umgesetzt wird. So erzählte Kevin Spacey 2013 beim Edinburgh International Television Festival, dass David Fincher, Beau Willimon und er mit ihrer Idee für „House of Cards“ zu allen großen US-Networks gegangen seien. Jeder Sender habe Interesse gezeigt, wollte aber zuerst nur in einen Piloten investieren, einzig Netflix sei von der Idee so überzeugt gewesen, dass sie gleich die ganze Staffel orderten.
Solcher Mut eröffnet Kreativen neue Möglichkeiten. Wann kommt endlich eine deutsche Serie, die es mit amerikanischen, englischen oder skandinavischen Produktionen aufnehmen kann? Eine Prognose wagt vermutlich niemand. Aber die Tatsache, dass bei der Berlinale Serien ein ziemlich wichtiges Thema waren und Produktionen wie „Blochin“, „Deutschland 83“ oder „Weinberg“ auch international wahrgenommen werden, sollte unseren Serien-Fans zumindest Mut machen. (mz)