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Börsen Börsen: Neuer Markt startete vor zehn Jahren

Von Jörn Bender 09.03.2007, 07:18
Ein Aktienhändler steht im Handelssaal der Wertpapierbörse in Frankfurt am Main neben einer Tafel mit Namen der am Neuen Markt gehandelten deutschen Firmen. (Archivfoto vom 03.05.2000: dpa)
Ein Aktienhändler steht im Handelssaal der Wertpapierbörse in Frankfurt am Main neben einer Tafel mit Namen der am Neuen Markt gehandelten deutschen Firmen. (Archivfoto vom 03.05.2000: dpa) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - Die New Economy wurde zum Sinnbild fürdie Sprunghaftigkeit der Börsen und schreckt bis heute viele Anlegervor erneutem Aktienkauf ab.

Am 10. März 1997 knallten auf dem Frankfurter Parkett die Korken:Der Mobilfunkanbieter mobilcom wagte sich als erster an den NeuenMarkt. Das Ziel des Börsensegments: Rasch wachsende Mittelständler -besonders aus den Branchen Umwelttechnik, Telekommunikation,Biotechnologie und Multimedia - sollten sich besser mit Risikokapitalversorgen können.

«Durch den Börsengang konnten wir erst die Story mobilcomschreiben. Ich würde ein solches Wachstumsunternehmen jederzeitwieder an die Börse bringen», sagt Ex-mobilcom-Chef Gerhard Schmidrückblickend. mobilcom steigerte den Unternehmenswert im erstenBörsenjahr um 2800 Prozent. In der New-Economy-Euphorie hieltenBanker, Aktionäre und Journalisten den Neuen Markt lange für eineunerschöpfliche Goldgrube. Wer nicht mindestens einen NEMAX-Wert(NEuer MArkt IndeX) in seinem Depot hatte, galt unter Anlegern alshoffnungsloser Fall.

Doch nie gesehene Kursrallyes brachten den Neue Markt schon baldnach seiner Gründung als «Zockermarkt» in Verruf. AufgeblaseneBilanzen, Insiderhandel und Kursbetrug gaben der New Economy denRest. So hatte der Münchner Telematik-Spezialist ComROAD fast seinegesamten Umsätze erfunden, die Brüder Haffa - einst alsMillionärsmacher gefeiert - mussten eingestehen, dass die Bilanzenihrer Medienfirma EM.TV nicht stimmten und landeten vor Gericht.

Im März 2002 räumte sogar der damalige Börsenchef Werner Seifertein, es habe am Neuen Markt «kriminelle Machenschaften» gegeben.Börsenmanager Rainer Riess bekräftigt: «In einigen Fällen verhieltensich Manager gesetzeswidrig und unethisch.» Immer länger wurde dieListe der geschassten Börsenstarter - mit so kunstvollen Namen wie«FortuneCity.com», «InfoGenie», «e.multi» und «LetsBuyIt.com». DerAuswahlindex der Wachstumsbörse, der NEMAX 50, brach vonRekordständen von fast 10 000 Punkten zwischenzeitlich auf nur nocheinige hundert Punkte ein. Die Spekulationsblase platzte, binnenweniger Monate stürzte das Börsenbarometer 2000/2001 ab.

«Wir haben immer auf die höheren Risiken des Neuen Marktes fürPrivatanleger hingewiesen», betont der Chef des DeutschenAktieninstituts (DAI), Rüdiger von Rosen. «In der ganzenBörseneuphorie wurde vieles trotz strenger Vorschriften nichtbeachtet - oft wurden nur die steil steigenden Kurse gesehen.» DerBonner Finanzwirtschaftler Erik Theissen ist überzeugt: «An denRegeln hat es nicht gelegen, die waren strenger als in anderenSegmenten.» Doch der Neue Markt sei in eine Zeit geraten, «in der dieAktienbewertung insgesamt etwas aus den Fugen geraten war». Manchesandere auch, wie mobilcom-Gründer Schmid meint: «Die Banken habendoch damals jeden an die Börse gebracht, der einen ambitioniertenGeschäftsplan vorgelegt und dabei das Wort "Internet" richtiggeschrieben hat.»

Trotz aller Kritik gibt es auch fast vier Jahre nach dem Aus fürdas Börsensegment noch immer Rufe nach seiner Wiederbelebung. VieleExperten meinen, die Idee des Neuen Marktes, jungen Unternehmen ander Börse Geld zu verschaffen, habe eine zweite Chance verdient. «Wirmüssen Börsengänge auch für kleinere und jüngere Unternehmenermöglichen», sagt etwa der Bonner Wissenschaftler Theissen.

Bei vielen Anlegern jedoch hat der Börsencrash das Vertrauen inAktien nachhaltig erschüttert: Seit 2000 sank die Zahl der Aktionärein Deutschland laut Aktieninstitut um 2,5 Millionen auf derzeit gut10 Millionen. Zehn Jahre nach seiner Gründung erinnert auf derInternet-Seite der Deutschen Börse AG heute nur noch ein nüchternerEintrag an die Boomzeiten: «Das privatrechtliche Segment Neuer Marktwurde von der Deutschen Börse am 5. Juni 2003 geschlossen.»Vielleicht hat mancher Anleger zumindest noch eine Erinnerung aneinstige Börsenzeiten: Nach Medienberichten schenkte dieInternetfirma Concept auf der Feier zu ihrem Börsengang Ende März2000 jedem Partygast das Brettspiel «Wie verbrenne ich eine Million».