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Börsen Börsen: Deutschlands teuerste Aktie steht vor dem Aus

Von Georg Ismar 27.11.2007, 07:52
Der Vorstand der Kötitzer Ledertuch- und Wachstuch-Werke AG, Werner Harder, zeigt in Norderfriedrichskoog (Kreis Nordfriesland) die mit 11 000 Euro teuerste Aktie Deutschlands. (Foto: dpa)
Der Vorstand der Kötitzer Ledertuch- und Wachstuch-Werke AG, Werner Harder, zeigt in Norderfriedrichskoog (Kreis Nordfriesland) die mit 11 000 Euro teuerste Aktie Deutschlands. (Foto: dpa) dpa

Norderfriedrichskoog/dpa. - Null Meter über dem Meeresspiegel, 39Einwohner, 115 steuerpflichtige Firmen - Norderfriedrichskoog an derWestküste Schleswig-Holsteins ist ein besonderes Nest. Bis 2004 wares eine bundesweit bekannte Steueroase, da keine Gewerbesteuererhoben wurde. 400 Firmen und Konzerne siedelten sich hinter demDeich an. Einige Unternehmen hatten nicht mehr als einen Briefkasten.Während die meisten Global Player wieder fort sind, sticht einUnternehmen weiter hervor: Die Kötitzer Ledertuch- und Wachstuch-Werke AG. Sie hat mit 11 000 Euro die teuerste Aktie Deutschlands.Jetzt soll die AG zu 100 Prozent übernommen werden - und wird danachwohl von der Börse verschwinden.

Tücher werden bei Kötitzer schon seit den 60er Jahren nicht mehrhergestellt, Maschinen und riesige Stoffballen sucht man in derDiekstraat 3 vergeblich. «Es gibt kein aktives Handelsgeschäft mehr»,sagt Vorstand Werner Harder. Heute sind die früheren Tuchwerke einereine Vermögensverwaltung. Von den 235 000 Aktien gehören mehr als 99Prozent der KL Holding, hinter der sich die Familie von Adolf Merckleverbirgt. Der Milliardär - laut Forbes-Liste viertreichster MannDeutschlands - bündelt bei Kötitzer einige seiner Vermögenswerte.Dazu gehört eine 49-prozentige Beteiligung an der Spohn Cement GmbH,die wiederum mit 60 Prozent an Heidelberg Cement beteiligt ist.

Merckle, Gründer des Pharmaunternehmens Ratiopharm, und seineFamilie möchten die Kötitzer AG komplett übernehmen und zu diesemZweck die restlichen Aktien aufkaufen. Nur knapp 50 Aktien sind nochim Besitz anderer Aktionäre. Um diese zur Abgabe zu bewegen, solleine Abfindung von 14 520 Euro pro Exemplar gezahlt werden. EinHerausdrängen von Minderheitsaktionären (Squeeze-out) ist möglich,wenn ein Hauptaktionär mindestens 95 Prozent einer AG hält. «Diewenigen Minderheitsaktionäre rechtfertigen nicht mehr den enormenAufwand einer Börsennotierung», sagt Alleinvorstand Harder.

Am 19. Dezember findet in Stuttgart eine außerordentlicheHauptversammlung statt, die über den Börsenabschied befinden wird.Anfechtungsklagen könnten das Ende der teuersten Aktie Deutschlandsallenfalls herauszögern. Harder ist gespannt, ob zu diesem Anlassmehr Minderheitsaktionäre kommen, als zu den letzten Versammlungen.«Da kam kaum einer.»

Kötitzer wurde 1897 in Coswig (Sachsen) gegründet, nach Stationenin Düsseldorf und Berlin hat sich das Unternehmen 2002 im abgelegenenNorderfriedrichskoog angesiedelt. Drei Mitarbeiter sind bei Kötitzerin Norderfriedrichskoog mit der Verwaltung der Reichtümerbeschäftigt. Einen eigenen Umsatz hat man zuletzt kaum gemacht, imQuartalsbericht Januar bis September 2007 sind 39 000 Euroausgewiesen - der Gegenwert von dreieinhalb Kötitzer-Aktien. «Dassind hauptsächlich Mieten», sagt Harder. Zugleich gab es aberEinnahmen aus assoziierten Unternehmen wie der Spohn Cement von 609Millionen Euro.

In diesen Beteiligungen liegt auch der Zuwachs der Aktiebegründet. «Das erklärt sich durch den stark gestiegenen Wert desUnternehmens.» 1923 wurde Kötitzer Aktiengesellschaft. 1985 gab eseine Kapitalerhöhung. Die Aktie wurde damals nominell für 100 Markausgegeben, heute ist sie gemessen am Kurs das 220-fache wert.

Harder erklärte, dass Kötitzer «selbstverständlich Gewerbesteuerin Norderfriedrichskoog zahlt». Er weist Vorwürfe zurück, alles seihier mehr Schein als Sein. Über das Dorf an der Nordsee und dieansässigen Firmen sei viel falsches verbreitet worden. Auch nach demBörsenabschied bleibe man dem Dorf treu.

Trotz der Wertzuwächse in jüngster Zeit - eine Konkurrenz für dieteuerste Aktie der Welt wäre Kötitzer wohl kaum geworden. NachAngaben der Börse in Frankfurt wird das Papier desHoldingunternehmens Berkshire Hathaway (USA) mit 92 000 Eurobewertet.