Bischof Gebhard Fürst geht auf Distanz zu Rom
Rottenburg/dpa. - So etwas passiert nur selten: Ein katholischer Bischof in Deutschland geht offen auf Distanz zu Rom. Gebhard Fürst hat sich mit all denen solidarisiert, die in der Rehabilitierung von vier Traditionalistenbischöfen ein falsches Signal zum Rückzug aus der Moderne sehen.
Der Oberhirte des Schwabenbistums Rottenburg- Stuttgart macht in seiner am Samstag veröffentlichten Erklärung deutlich: Es geht nicht nur um die Frage, ob vier Exkommunizierte wieder zur Kirche gehören. Auch nicht nur darum, ob einer von ihnen ungestraft den Holocaust leugnen darf. Es geht um Fundamente des christlichen Glaubens.
Akzeptiert die Kirche die Religions- und Gewissensfreiheit? Sucht sie die ökumenische Annäherung zu anderen Kirchen, den Dialog mit anderen Religionen, vor allem mit dem Judentum? Hält sie an der Liturgiereform fest oder kehrt sie zurück zur lateinischen Messe? Hört die Kirche auf die Stimme des Volkes oder ist sie eine reine Priesterkirche? In all diesen Fragen hat das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) die katholische Kirche zur modernen Welt geöffnet. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. und ihre vier rehabilitierten Bischöfe wollen diese Öffnung wieder rückgängig machen.
Fürst hält strikt dagegen: «Theologie und Pastoral unserer Diözese, von mir als Bischof verantwortet, sind und bleiben ohne Wenn und Aber dem Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und seinen zentralen Anliegen verpflichtet. (...) Wer immer sich zur Kirche bekennt, kann nicht wesentliche Grundanliegen des Konzils infrage stellen. Sonst käme es lediglich zu einer Scheineinheit.»
Deutliche Worte eines Ortsbischofs, die in der jüngeren Kirchengeschichte Seltenheitscharakter haben. Sie erinnern an den Fall Franz Kamphaus: Der damalige Limburger Bischof stellte sich 1999 offen gegen die Anweisung von Papst Johannes Paul II., aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung auszusteigen. Noch weiter zurück liegt die Königsteiner Erklärung von 1968: Die Deutsche Bischofskonferenz relativierte damit das päpstliche Verbot künstlicher Empfängnisverhütung und wies auf die Möglichkeit der persönlichen Gewissensentscheidung hin.
Samstagabend, Heilig-Geist-Kirche, Schorndorf im Remstal, im schwäbischen Stammland: Jugendgottesdienst - die Kirche ist voll wie sonst nur noch selten. Die 300 Besucher haben noch nichts gehört von der zeitgleich veröffentlichten Erklärung ihres Bischofs. Unüberhörbar aber ist ihr Unmut über den konservativen Kurs des deutschen Papstes Benedikt XVI.: «Zwängt die junge Kirche nicht in alte Bräuche!» singen sie - und «Steh auf!» von Marius Müller- Westernhagen. Im Hochgebet bittet der Vikar darum, dass die Kirche «die Zeichen der Zeit erkennt», und er zitiert das Zweite Vatikanische Konzil.
Am Tag zuvor hatten bereits die katholischen Theologie-Professoren der Universitäten Tübingen, Freiburg und Münster Alarm geschlagen und von einem «Wendepunkt der Kirchengeschichte» gesprochen. Mit Gebhard Fürst hat sich nun der erste Oberhirte in Deutschland diesem Protest angeschlossen. Er ist nicht irgendein Bischof. Im Herzen seines Bistums, in Stuttgart, ist die Deutschlandzentrale der Priesterbruderschaft St. Pius X. Von hier aus will der Distriktsobere Franz Schmidberger die Kirche zurückführen ins Mittelalter. In den kommenden Tagen dürften sich nun manche Blicke auf Fürsts Amtskollegen richten: Werden andere Bischöfe seinem Schritt folgen?