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Bio-Kleidung Bio-Kleidung: Ökologisch und sozial produzierte Mode wird chic und beliebt

Von Jutta Maier 01.02.2013, 21:29

berlin/MZ. - Auf den ersten Blick unterscheidet sich der blaue Kapuzenpulli kaum von dem, was bekannte Marken wie Adidas oder Bench anbieten: Sportlich, schlicht geschnitten - Streetwear in neudeutsch. Und doch sind die Klamotten des Hamburger Labels Recolution anders. Nicht nur, dass sie zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle und unter Einhaltung sozialer Standards in der Türkei hergestellt wurden. Geschäftsführer Robert Diekmann greift in den Ärmel des Pullis und kehrt das seidig-flauschige Innere nach außen. "Fassen Sie das mal an", sagt er. "Wer unsere Sachen einmal an hatte, zieht sie nicht mehr aus." Diekmann will seine Kundschaft damit überzeugen, dass seine Mode gut aussieht und sich toll anfühlt: "Wir bieten Produkte, die nicht nach Müsli aussehen. Öko gibt's als Zusatznutzen."

Ökologisch und sozial korrekt hergestellte Mode ist derzeit präsenter denn je - zu häufig erreichen uns Nachrichten von Bränden mit vielen Toten in Textilfabriken in Bangladesch und Pakistan, die für große, westliche Discounter und Modemarken fertigten. Grüne Modemessen wie die Ethical Fashion Week und der Greenshowroom, die parallel zur Berliner Fashion Week laufen, verbuchen wachsende Aussteller- und Besucherzahlen. Sie zeigen, dass nachhaltige Mode mit dem einstigen Müsli-Schlabberlook nichts mehr zu tun hat.

Auch die weit verbreitete Annahme, dass Schadstofffreie, unter fairen Bedingungen produzierte Mode zwangsläufig deutlich teurer sein muss als herkömmliche Sachen, ist falsch: Bei Recolution etwa kosten ein T-Shirt mit 30 Euro und ein Pullover ab 80 Euro nicht mehr als Markenware anderer Sportartikelhersteller. Dafür lassen sich jene ihren Namen über hohe Margen teuer bezahlen.

Online-Marktplätze

So häufig derzeit über nachhaltige Mode gesprochen wird, so schwer ist sie noch immer in den Geschäften und Einkaufszentren zu finden. Jenseits einschlägiger Online-Marktplätze wie Avocado.de oder sogenannter Concept-Stores, die sich auf nachhaltige Mode spezialisiert haben, ist das Angebot rar. Diekmann kennt das Problem. Recolution ist derzeit in rund 30 Läden in Deutschland zu haben.

Nach Unglücken wie in Bangladesch steige die Nachfrage kurzfristig an, sagt Diekmann, doch der Schockeffekt hält meist nicht lange an. Sich als Öko-Nischenmarke in größeren Geschäften neben herkömmlichen Marken zu etablieren, sei schwer: "Die Läden haben oft keinen Platz, weil die Kunden erwarten, dass sie alle großen Labels anbieten." Er geht davon aus, dass nachhaltig produzierte Mode immer eine Nische bleiben wird. Sie könne sich jedoch im Stadtbild und bei den Kunden weiter etablieren. So seien die Öko-Konzept-Läden händeringend auf der Suche nach Geschäften an attraktiven Standorten. "Es geht darum, von C- in B-Lagen reinzukommen", sagt Diekmann.

Vielleicht erleben wir also irgendwann ein ähnliches Phänomen wie bei den Bio-Supermärkten, die mittlerweile in den guten Einkaufslagen angekommen sind. Was aber müsste passieren, damit sich Öko-Mode in normalen Kaufhäusern und Einkaufszentren als Alternative zur konventionellen Ware etabliert - ähnlich, wie Bio-Lebensmittel in Supermärkten?

Textil-Discounter wie H & M oder C & A hätten aufgrund ihrer Größe die Marktmacht, um Veränderungen anzustoßen. Doch sie nutzen diese bislang eher punktuell. Was die Verbesserung der Produktionsbedingungen in Asien betrifft, ziehen sie sich meistens darauf zurück, dass sie den staatlichen Mindestlohn für die Arbeiter fordern, der viel zu niedrig angesetzt ist. Stattdessen legen sie den Fokus auf die Baumwollproduktion.

So werden bei C & A inzwischen gut 20 Prozent der Baumwoll-Kollektion aus Bio-Baumwolle hergestellt, bis 2020 will das Unternehmen gar keine herkömmliche Baumwolle mehr verwenden. Ihr Anbau gilt als besonders problematisch, weil dafür extrem viel Wasser nötig ist und häufig Entlaubungsgifte eingesetzt werden. Doch den weltweit anerkannten Umwelt-Standard Global Organic Textile (GOTS), der Nachhaltigkeit über die gesamte Lieferkette gewährleistet und auch soziale Belange umfasst, nutzt C & A nicht, sondern bietet die Kollektion unter dem Label "BioCotton" an. Dabei sind 20 Prozent der Bio-Textilien GOTS-zertifiziert.

Claudia Kersten, GOTS-Repräsentantin für Deutschland, sagt, manche Händler nutzten das Siegel nicht, weil sie fürchten, dass dies bei den Kunden ein schlechtes Licht auf Ware ohne GOTS-Label werfen könnte. "Die Unternehmen haben Angst, dass sie sich angreifbar machen, weil sie nicht durchgängig nachhaltig produzieren", so Kersten. Manche Konzerne befürchteten zudem, dass die Authentifizierung nicht zuverlässig funktioniere. "Die Erfahrung zeigt aber das Gegenteil."

Die Zahl der Vorstufenbetriebe wie Garnerzeuger und Großhändler, die ihre Ware mit dem GOTS-Siegel labeln lassen, ist seit der Gründung 2008 auf 2 800 gestiegen. "Vor allem in Indien haben wir allerdings eine hohe Fluktuation", so Kersten. "Die Hersteller treten je nach Auftragslage ein oder aus, wie es ihnen gerade passt."

GOTS sucht man auch bei H & M vergeblich. Die Textilkette bietet eine "Conscious Collection" an, die Öko-Materialien enthält: recycelte Plastikflaschen, Hanf und "nachhaltigere" Baumwolle. Dazu zählt H & M neben echter Bio-Faser auch recycelte Baumwolle und solche aus der mit Adidas und IKEA gegründeten "Better Cotton Initiative" (BCI). Der Standard ist so etwas wie Bio "light:" Er schreibt die Reduzierung von Pestiziden vor, verbietet sie aber nicht. Immerhin werden auch soziale Komponenten wie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit berücksichtigt.

Ökomode finden

Dem Problem, dass zum Finden nachhaltiger Mode immer noch zeitraubende Recherchen nötig sind, nimmt sich eine neue Internetseite an: Der Future Fashion Guide filtert aus einem Pool von 150 Öko-Designermarken nicht nur die passenden Teile, sondern zeigt auch Geschäfte in der Nähe an.