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Bewegung in der deutschen Bankenlandschaft

Von Jörn Bender und Christine Schultze 23.05.2008, 14:38

Frankfurt/München/dpa. - Die Finanzmarktkrise treibt die Debatte über eine Neuordnung der Bankenlandschaft in Deutschland voran. Seit Monaten wird immer offener über mögliche Zusammenschlüsse spekuliert.

Sei es bei den Landesbanken, über die Sektoren hinaus wie im Fall der kriselnden Mittelstandsbank IKB oder verstärkt auch unter den privaten Banken: Postbank, Dresdner Bank und Citibank gelten als Übernahmekandidaten - eine führende Rolle bei der Neuordnung wollen Deutsche Bank, Commerzbank und die Dresdner-Bank-Mutter Allianz spielen. Wer den Milliardenpoker gewinnen wird, ist noch offen. Branchenkenner mahnen, die Krise als Chance zu nutzen, den deutschen Bankenmarkt gegen die stärker werdende ausländische Konkurrenz endlich neu aufzustellen.

«Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es sinnvoll, in Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas eine große Bank für Privatkunden und das Geschäft im Inland zu haben», sagt Analyst Dieter Hein vom unabhängigen Analysehaus fairesearch. Kaum ein Bankenmarkt in Europa ist so zersplittert wie der deutsche, zudem gilt das starre Drei-Säulen-System aus privaten Banken, öffentlich-rechtlichen Instituten und Genossenschaftsbanken als hemmend. Das Problem laut Hein: «Jeder möchte gerne fusionieren, aber keiner möchte übernommen werden.»

Auch in der aktuellen Diskussion will keiner auf die Führungsrolle verzichten - zumindest nicht öffentlich: «Wir wollen bei einer Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft im Interesse unserer Aktionäre eine aktive Rolle spielen», gab der scheidende Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller seinem Nachfolger Martin Blessing mit auf den Weg. Vorsorglich stockte die deutsche Nummer Zwei ihre Kasse für Übernahmen auf: Die Aktionäre billigten Kapitalmaßnahmen, die sich rechnerisch auf maximal gut elf Milliarden Euro belaufen können. Auch Postbank-Chef Wolfgang Klein will mit seinem umworbenen Institut «eine selbstbewusste Rolle in der Konsolidierung» spielen.

Angeheizt hatte die Fusions-Spekulationen Allianz-Chef Michael Diekmann bei der Hauptversammlung vor wenigen Tagen. «Derzeit finden Gespräche statt, die aber noch nicht das Stadium erreicht haben, dass ich heute darüber berichten könnte», sagte er. Mit einem Kauf der Postbank könnte der Konzern die Dresdner stärken und sich eine weitere Absatzplattform für seine Versicherungspolicen verschaffen.

So mancher Allianz-Aktionär würde indes nach den durchwachsenen Erfahrungen mit der Dresdner lieber heute als morgen Abschied von dem Frankfurter Geldhaus nehmen. Über Jahre verhagelte die 2001 für rund 23 Milliarden Euro übernommene Bank mit teils hohen Verlusten die Allianz-Bilanz, in der Finanzkrise rutschte die Bank in drei Quartalen hintereinander in die roten Zahlen. Aktionärsschützer warnen, eine milliardenschwere Postbank-Übernahme könnte in dieser Lage zu einem riskanten Abenteuer werden: «Die Frage ist: Bringe ich etwas dadurch in Ordnung, dass ich mir noch etwas dazukaufe», sagt Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (SdK). «Einmal die Finger verbrannt reicht doch.»

Das Privatkundengeschäft gilt als eines der wenigen Felder, die in Deutschland noch Wachstumspotenzial bergen. Kein Wunder also, dass die Postbank (14,5 Millionen Kunden) umworben wird und die Großen der Branche auch ein Auge auf die Citibank (3,25 Mio Kunden) werfen. Doch es gibt Zweifel, dass es rasche Lösungen gibt: Die Deutsche Post als Postbank-Mehrheitseigentümerin hält sich zum Verkauf ihrer Tochter bedeckt. Unterdessen gab es am Freitag Spekulationen, dass das Ratenkreditgeschäft der Citibank mit dem der Deutsche-Bank-Tochter norisbank zusammengefasst werden könnte.

Branchenkenner wie Analyst Hein halten das diskutierte Dreierbündnis aus Commerzbank, Dresdner Bank und Postbank für schwer umsetzbar: Mitte 2000 verhandelten Dresdner und Commerzbank bereits erfolglos über eine Fusion, «weil die Interessen zu unterschiedlich waren», wie Hein sagt. Nun mit der Postbank einen dritten Partner ins Boot zu holen, mache die Sache nicht einfacher. Das Dreierbündnis wäre sowohl gemessen an der Bilanzsumme als auch nach Börsenwert die Nummer zwei im deutschen Markt nach der Deutschen Bank.

Gewerkschafter warnen schon vorsorglich vor dem Verlust tausender Jobs: Ver.di spricht von 15 000 bis 20 000 Arbeitsplätzen - also etwa jeder fünfte der insgesamt knapp 84 000 Mitarbeiter von Commerzbank, Dresdner und Postbank. «Das wäre der beschäftigungspolitische GAU», warnt ver.di-Bankenexperte Uwe Foullong. Der Präsident der Frankfurt School of Finance & Management, Udo Steffens, mahnt: «Es bietet sich jetzt die Chance, die deutschen Großbanken wieder nachhaltig ins internationale Rennen zu schicken. Ich appelliere, sie zu nutzen.»