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Berufschancen Berufschancen: «Go east»

Von Thorsten Wiese 27.09.2005, 14:45
Deutsch-polnische Wörterbücher - in Osteuropa allgemein und auch in Deutschlands direktem östlichen Nachbarland werden vor allem Mitarbeiter für das Controlling, für Vertrieb und Marketing, aber auch für das mittlere und höhere Management gesucht. (Foto: dpa)
Deutsch-polnische Wörterbücher - in Osteuropa allgemein und auch in Deutschlands direktem östlichen Nachbarland werden vor allem Mitarbeiter für das Controlling, für Vertrieb und Marketing, aber auch für das mittlere und höhere Management gesucht. (Foto: dpa) ZB

Bonn/Düsseldorf/dpa. - Hochschulabsolventen, die eine neue Herausforderung oderden oft schwierigen Berufseinstieg suchen, blicken möglicherweisehoffnungsvoll nach Polen, Ungarn oder auf die baltischen Staaten.Experten warnen jedoch vor Euphorie oder Aufbruchsstimmung.

Franz Piesche-Blumtritt, Experte für den EU-Arbeitsmarkt bei derZentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur fürArbeit (BA) in Bonn, dämpft allzu große Hoffnungen von Absolventen:«Es heißt in den Medien ja oft "Go east". Da werden aber in der Regeleinzelne Fälle hochstilisiert», sagt der Berater. Sichere Daten gebees nicht über die Arbeitsmärkte im Osten. Fest stehe aber: Nach Datendes Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) inLuxemburg arbeiten lediglich 0,1 Prozent der Deutschen im EU-Ausland,oft Pendler aus den Grenzregionen.

Zu einem optimistischeren Ergebnis kommt eineStellenmarkt-Auswertung des Wissenschaftsladens Bonn. Finanziell seies für Akademiker zwar meist attraktiver, in Deutschland zu arbeiten.In Zeiten höherer Akademiker-Arbeitslosigkeit könne ein Gang nachOsteuropa aber eine Perspektive bieten. In Ungarn seien etwaBiochemie und Biotechnologie im Aufwind, in Lettland geltenMaschinenbau und Chemie als Branchen mit steigendem Akademikerbedarf.Auch in Slowenien und Litauen richteten sich viele Stellenangebote anAkademiker.

«Interessant sind neben Russland vor allem Polen, Tschechien,Ungarn und Slowenien», sagt Sörge Drosten, Geschäftsführer derinternationalen Gesellschaften bei der Personalberatung Kienbaum. Ihmzufolge werden vor allem Mitarbeiter für das Controlling, fürVertrieb und Marketing, aber auch für das mittlere und höhereManagement sowie für Werksleitungen gesucht. Chancen hätten Juristen,Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure.

Die in Deutschland eher von Arbeitslosigkeit betroffenenAkademiker - laut ZAV Geisteswissenschaftler, Tierärzte oderBauingenieure - profitierten von der Öffnung der Märkte imeuropäischen Osten kaum. Angebote gebe es allenfalls in derAutomobilindustrie, der Informations- und Kommunikationstechnologiesowie im Finanz- und Gesundheitssektor, sagt ExpertePiesche-Blumtritt.

Jobangebote vor Ort seien eher selten, sagt auch Sörge Drosten.Die meisten im Osten aktiven Unternehmen, die westeuropäischeAkademiker einstellen, seien internationale Betriebe ausGroßbritannien, Frankreich, Schweden oder Deutschland. «Der Zugang zudieser Beschäftigung funktioniert vor allem über die deutschenFirmen, die selbst vor Ort oder mit einer Tochterfirma vertretensind», sagt daher auch Christiane Konegen-Grenier, Referentin beimInstitut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Wer sich ohne Anbindung an ein solches Unternehmen nach Osteuropavorwagen will, habe nur wenige Bereiche zur Auswahl. «Plausibelerscheint uns da vornehmlich die Forschung, vor allem in Technik undNaturwissenschaften - da wird in der Regel Englisch gesprochen», sagtKonegen-Grenier.

Vor einigen Jahren habe in den osteuropäischen Ländern noch dasKnow-How gefehlt, sagt Sörge Drosten. Das habe sich aber schnellgeändert. Auch die universitäre Ausbildung in vielen derBeitrittsländer sei gut, und viele junge Polen, Ungarn oder Lettenverfügten über Studien- oder Arbeitserfahrungen in westeuropäischenLändern. Westeuropäer könnten auf den neuen Arbeitsmärkten daher nurkonkurrieren, wenn sie Bezüge nach Osteuropa, Kenntnisse der Spracheund Kultur haben, sagen die Arbeitsmarktexperten.

Ansonsten seien sie ohnehin viel zu teuer für die Unternehmen -und möglicherweise nach ein, zwei Jahren wieder weg. Im Zweifelwürden sich Arbeitgeber daher eher für einheimische Bewerberentscheiden. Einer Goldgräberstimmung steht derzeit ohnehin noch dasGesetz im Wege. Das so genannte Freizügigkeitsprinzip, das esArbeitnehmern erlaubt, sich in der ganzen EU Arbeit zu suchen, istfür die neuesten Mitglieder nach wie vor eingeschränkt. Für einigeder osteuropäischen Länder gilt eine Übergangsregelung, die denfreien Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkt.

Informationen: Fragen beantworten die Berater der Europa- undAuslands-Hotline der BA unter Tel.: 0180/522 20 23 (12 Cent proMinute). Beratung vor Ort gibt es in den Europa-Servicezentren derBA, die bundesweit in 15 Städten vertreten sind.

Das europaweite Stellenportal EURES findet sich unterhttp://europa.eu.int/eures. Auf der Homepage www.europaserviceba.debietet die Bundesagentur für Arbeit (BA) Informationen zum Arbeitenim europäischen Ausland.