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Bergbau Bergbau: Viele Wismut-Mitarbeiter wurden hingerichtet

03.09.2009, 17:30
Wismut-Schacht 371 in Schlema/Hartenstein (FOTO: DPA)
Wismut-Schacht 371 in Schlema/Hartenstein (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Chemnitz/dpa. - Doch nun habenChemnitzer Wissenschaftler Zugang zu russischen Archiven erhalten - und erschreckende Fakten zutage gefördert. «Mindestens 70 Wismut-Mitarbeiter wurden allein in den Jahren 1951 bis 1953 als vermeintliche Spione in die Sowjetunion verschleppt und dort hingerichtet», erzählt Prof. Rudolf Boch von der TechnischenUniversität (TU) Chemnitz. «Das ist eine Schreckensbilanz.» Zudemerhielten hunderte Kumpel harte Strafen wegen kleinerer Vergehen.

Saboteure habe es durchaus gegeben, sagt Boch. Doch viele Arbeiterseien bereits wegen Bagatelldelikten verschleppt worden. Dem deutsch-russischen Historikerteam standen umfangreiche russische Quellen zurVerfügung, darunter aus dem Atomministerium, dem Staatsarchiv oderdem Militärarchiv. Dabei stießen die Forscher auch auf den Fall derBergleute Hans-Jürgen Erdmann und Gerhard König. Sie waren 1952 ineinem Moskauer Gefängnis hingerichtet worden. Der Vorwurf: Sabotage.Die Kumpel sollen das Hauptkabel zu einem Schacht gesprengt haben.Die Sowjets hielten den Fall streng geheim - und versorgten sogar dieStasi mit falschen Informationen.

Ein weiterer Aspekt, den die Wissenschaftler herausfanden: Schonbald verzichteten die sowjetischen Behörden darauf, mit Hilfe vonZwangsrekrutierungen die notwendige Menge an Arbeitern für dieGrubenarbeit aufzubringen. «Das System war ineffizient», sagt RainerKarlsch, der an der Studie mitgearbeitet hat. Zehntausende Menschenflüchteten. Stattdessen versuchten es die Wismut-Chefs mit Zuckerbrotund Peitsche. Leistungsanreize wurden geschaffen wie längerer Urlaubund eigene Krankenhäuser. «Andererseits wurde das Regime zurBewachung der Objekte und Überwachung der Belegschaft Anfang der1950er Jahre verschärft», berichtet Projektleiter Boch.

Allen Arbeitern aber war gemein, dass sie katastrophalenGesundheitsrisiken ausgesetzt waren - mit Wissen der Betreiber. «DieStrahlenrisiken waren von Beginn an bekannt», sagt Karlsch. Davonzeugten mehrere Geheimbefehle des ersten Wismut-Generaldirektors,Generalmajor Michail Malzew, sowie des Obersten Chefs derSowjetischen Militäradministration, Marschall Wassili Sokolowski.Darin sei von erhöhten Risiken bei einer Arbeit in den«gesundheitsschädlichen Zechen» ebenso die Rede wie von den Gefahren,wegen Jodmangels an Kehlkopfkrebs zu erkranken.

Die Sowjets störten sich augenscheinlich nicht an den Bedenken.Besonders gefährdetes Personal sollte Zulagen erhalten, sowjetischeÄrzte untersuchten die Situation in den Gruben - unter Ausschluss derÖffentlichkeit. An dieser fatalen Praxis habe die Wismut noch bis1990 festgehalten, erzählt Karlsch. Schließlich war das Geschäftlukrativ: Zwischen 1947 und 1990 wurden in Ostthüringen und Sachsen231 000 Tonnen Uran gefördert, die DDR war drittgrößter Uran-Produzent der Welt.

Noch bis Mitte 2011 forschen die Wissenschaftler weiter rund umdie Wismut, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium und mehrerenStiftungen. Demnächst soll die Geschichte der Sanierung derHinterlassenschaften des Uranbergbaus seit 1990 untersucht werden -also die aktuelle Aufgabe der Wismut GmbH, wofür sie seit derWiedervereinigung mehr als fünf Milliarden Euro vom Bund erhielt.