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Bergbau Bergbau: Frankreichs letzte Kohlegrube wird geschlossen

21.04.2004, 08:07
Bergleute schieben die letzte Lore aus dem Kohlebergwerk in Freyming-Merlebach, dem vorletzten Kohlebergwerk Frankreichs (Archivfoto vom 20.10.2003). Am 23.04.2004 wird die letzte französische Kohlegrube «La Houve» in Creutzwald in Lothringen geschlossen. (Foto: dpa)
Bergleute schieben die letzte Lore aus dem Kohlebergwerk in Freyming-Merlebach, dem vorletzten Kohlebergwerk Frankreichs (Archivfoto vom 20.10.2003). Am 23.04.2004 wird die letzte französische Kohlegrube «La Houve» in Creutzwald in Lothringen geschlossen. (Foto: dpa) SIPA

Paris/dpa. - Der CGT-Gewerkschafter Yves Hockenberger spricht von «sozialer und industrieller Verschwendung». Arbeitslose kosteten die Gesellschaft mehr als subventionierte Jobs, und die Jungen müssten heute jenseits der Grenze zu Deutschland und Luxemburg Arbeit suchen, meint er. Doch schon seit 1984 haben die französischen Kohlengruben keine Bergleute mehr eingestellt. Zehn Jahre später wurden den Bergleuten im «Kohlepakt» eine Arbeitsgarantie bis 45 sowie eine Rente über das Ende des Bergbaus hinaus, freies Wohnen und Gesundheitsversorgungzugesichert. Die 390 000 Grubenveteranen sind also gut versorgt. Unddoch ist von reiner Freude nichts zu spüren. Der Abschied schmerzt.

Mit 360 000 Kumpel unter Tage erreichte der französischeKohlebergbau 1947 seinen Höhepunkt. Das schleichende Ende kam mit derAtomkraft und der Billigkonkurrenz aus Übersee. Aus strategischenGründen gründet Frankreich seit den 60er Jahren seine Stromerzeugungauf die Kernenergie. Am Weltmarkt ist die heimische Kohle aber - wiedie unter ähnlichen Bedingungen aus großer Tiefe geförderte deutsche- nicht konkurrenzfähig. Trotz einer Verdreifachung der Produktivitätseit 1960 kostet französische Kohle mit 150 Euro je Tonne 4 bis 8Mal so viel wie Kohle aus den Tagebauen Australiens oder der USA.

In 200 Jahren wurde die Kohle vom strategisch höchst wichtigen Gutzum Symbol für teures und die Umwelt gefährdendes Festhalten anüberkommenen Strukturen. Nicht zuletzt wegen der für dieIndustriealisierung und insbesondere die Stahl- und Rüstungsbranchenwichtigen Flöze war Lothringen zwischen Deutschland und Frankreichlange Zeit umstritten. Und nicht zufällig war die EuropäischeGemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1952 der Grundstein für dieEuropäische Union.

Doch 2002 lief die EGKS weitgehend unbeachtet aus. Schon zehnJahre zuvor war die letzte belgische Grube geschlossen worden.Österreich folgt dieses Jahr. Etwas länger dauert die Agonie inDeutschland, wo für zwei der verbliebenen zehn Kohlengruben 2006 und2007 die letzte Schicht eingeläutet wird. An diesem Freitag setztFrankreich in Creutzwald den Schlusspunkt. Selbst die Millionen Euroteuren Maschinen bleiben unter Tage. Ihre Bergung käme teuer und siewären unverkäuflich: Es gibt keinen Bedarf mehr für sie.