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Belohnungssystem Belohnungssystem: Stempel auf dem Unterarm

Von JAKOB SCHLANDT 19.05.2011, 18:17
Blick in das Gellert-Bad im ungarischen Budapest. (FOTO: DPA)
Blick in das Gellert-Bad im ungarischen Budapest. (FOTO: DPA) dpa

FRANKFURT (MAIN)/MZ. - Im Fall der Hamburg Mannheimer International (HMI), einer Vertriebstochter, bekommt der Slogan nun einen schlüpfrigen Beiklang: Etwa 100 Mitarbeiter der HMI haben im Jahr 2007 an einer vom Unternehmen bezahlten Sex-Orgie in der ungarischen Hauptstadt Budapest teilgenommen, die als "Belohnung" für die erfolgreichsten Mitarbeiter gedacht war. Ein Sprecher der HMI-Mutter Ergo-Versicherung bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht des Handelsblatts und sagte, dass etwa 20 Prostituierte an der Sex-Party teilgenommen hätten. Der drittgrößte deutsche Direktversicherer, ist wiederum eine Tochter der Münchener Rückversicherung.

Die Details, über die das Handelsblatt unter Berufung auf eidesstattliche Versicherungen berichtet und über die Ergo erst "Nachforschungen" anstellen muss, zeigen, wie erniedrigend der Umgang mit den bezahlten Frauen auf der Party war. Sie wurden mit verschiedenfarbigen Bändchen ausgestattet. Rote und gelbe Bändchen gab es für Prostituierte, die allen Anwesenden zur Verfügung standen und Hostessen, die nur zur Unterhaltung dienen sollten. Die dritte Gruppe, Prostituierte mit weißen Bändchen, standen demnach nur den Vorständen und den "Besten der Besten" aus der Vertriebsgruppe für Sex zur Verfügung.

Die Prostituierten sollen nach jedem "Kontakt" mit einem HMI-Mitarbeiter einen Stempel auf den Unterarm erhalten haben. "So wurde festgehalten, welche Dame wie oft frequentiert wurde", berichtete ein Teilnehmer.

Veranstaltungsort war die historische Gellert-Therme in Budapest, deren Quellen schon seit dem 13. Jahrhundert genutzt werden. Gewöhnliche Besucher mussten für die HMI-Sause draußen bleiben. Weiterhin wurde berichtet, es seien Himmelbetten aufgebaut gewesen und eine Bühne, auf der ein Animations-Team, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann, Sex hatte.

Immerhin: Bei Ergo wird der Vorfall unumwunden eingeräumt. Ein Sprecher sagte, es handele sich bei der Veranstaltung um einen gravierenden Verstoß gegen bereits damals geltende Unternehmensrichtlinien. Der für die Veranstaltung verantwortliche Vorstand und weitere Mitarbeiter hätten das Unternehmen bereits verlassen, sagte der Ergo-Sprecher. Weitere, auch personelle Maßnahmen, würden aber geprüft.

Offenbar weiß das Top-Management der Münchener Rück schon länger Bescheid: Nikolaus von Bomhard, der Vorstandschef, hatte bereits auf der letzten Hauptversammlung Mitte April bestätigt, dass 2007 Mitarbeiter mit Prostituierten versorgt worden seien. Auf die Frage, ob und wie viele Mitarbeiterinnen an der Firmen-Orgie teilgenommen haben, konnte die Ergo-Pressestelle keine Auskunft geben. Es arbeiteten aber durchaus zahlreiche Frauen bei HMI, hieß es.

Die nordrhein-westfälische Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) ist empört über den Sexskandal bei der Ergo-Versicherung. "Was für eine Unternehmenskultur: Wer sich bezahlten Sex als Prämie für Leistungsträger ausdenkt, bewegt sich auf unterstem Herrenclub-Niveau", sagte Steffens am Donnerstag dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe). "Eines ist klar: Mit einer Frauenquote im Vorstand wäre dem Unternehmen eine solche Peinlichkeit nicht passiert", sagte die Grünen-Politikerin Steffens.