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Beitrittsverhandlungen mit Türkei Beitrittsverhandlungen mit Türkei: Zeit der Unverbindlichkeit ist für die EU abgelaufen

Von Sibylle Quenett 30.09.2005, 18:09

Seit 1963 haben sich die Türkei und die EU auf einen langen Weg der Annäherung gemacht, der unstrittig Erfolge zeigt. Die Türkei hat unter der Regierung Erdogan Todesstrafe und Folter abgeschafft, Frauen- und Minderheitenrechte gestärkt und die Rolle der Armee zurückgedrängt. Der Handel weist seit Jahren stürmische Wachstumsraten in beide Richtungen auf. Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit in der Nato hat sich seit Jahrzehnten bewährt und das Vertrauen zwischen den Partnern wachsen lassen. Die Türkei hat deshalb Anspruch darauf, dass Vereinbarungen mit ihr eingehalten werden.

Trotzdem ist die Erwartungshaltung in der EU, aber auch in der Türkei, Tage vor dem historischen Schritt von Skepsis, ja Unmut geprägt. Nach dem Scheitern der Europäischen Verfassung an den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden wird deutlicher als zuvor zur Kenntnis genommen, dass die europäische Öffentlichkeit mitnichten ungeteilt hinter den Beitrittsgesprächen steht. Die Ost-Erweiterung konnte von den Staats- und Regierungschefs quasi noch im Alleingang beschlossen werden. Sie war die logische Folge des Falls der Mauer. Doch die Diskussion über die Grenzen und vor allem die Identität Europas bricht erst jetzt richtig los. Sie muss nicht trotz, sondern gerade wegen der Verhandlungen mit Ankara auch ernsthaft geführt werden. Andernfalls ist zu erwarten, dass die Bürger ihren Regierungen abermals die Gefolgschaft verweigern und damit die EU selbst ins Wanken bringen.

Es geht eben nicht nur um die Frage, ob die Türkei alle Bedingungen für einen Beitritt erfüllt, sondern auch, ob die EU in der Lage ist, dieses große Land zu integrieren. Daran bestehen kulturell aber auch wirtschaftlich Zweifel. Die Zeiten, in denen die EU Probleme mit Geld lösen konnte, sind lang vorbei. Andererseits muss sichergestellt sein, dass die Verhandlungen tatsächlich ergebnisoffen geführt werden. Sollte die Türkei die Umsetzung von EU-Recht nicht gewährleisten und die bislang erreichten Fortschritte nur auf dem Papier stehen, darf ein Beitritt nicht erfolgen. Seit im Dezember die Aufnahme von Gesprächen beschlossen wurde, scheint der Reformeifer in Ankara zu erlahmen. Die Weigerung der Türken, Zypern als Staat anzuerkennen, ist ebenfalls ein Hindernis.

Am Ende der Verhandlungen kann daher ein anderes Ergebnis als die Vollmitgliedschaft der EU stehen. Man muss dafür heute noch keinen Namen finden, aber es ist keine unzumutbare Sonderbedingung der EU, dies der Türkei auch deutlich zu sagen.