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Begabtenförderung Begabtenförderung: Von der Schulbank in den Hörsaal

Von Eleonora Guhlmann 03.03.2009, 16:32

HALLE/MZ-WEB. - Kathleen Ebert und David Söhngen sind Teilnehmer am Projekt "Frühstudium". Neben der Schulzeit besuchten sie im vergangenen Semester Vorlesungen und konnten so schon vor ihrem Abitur Uni-Luft schnuppern.

Möglich macht dies die Kooperation der Martin-Luther-Universität (MLU) mit ausgewählten Gymnasien, die seit 2008 besteht. Engagierte Schülerinnen und Schüler der Oberstufe erhalten die Möglichkeit, Veranstaltungen über ein ganzes Semester zu besuchen. Die Frühstudierenden dürfen sogar Prüfungen ablegen, die ihnen in einem späteren Studium anerkannt werden. Das Frühstudium ist also weit mehr als einfach nur ein "Schnupperstudium".

Kooperationsvertrag mit Gymnasien

Die Universität will durch die Vernetzung mit Schulen neue Wege einschlagen. Im September vergangenen Jahres unterzeichnete der Rektor der MLU Prof. Wulf Diepenbrock den Kooperationsvertrag mit zehn Gymnasien. Die Anziehungskraft des Projekts reichte dabei weit über Halle hinaus: Neben Schulen des Stadtgebietes beteiligen sich unter anderem Gymnasien aus Sangerhausen, Droyßig und Bitterfeld.

Dem Start des Programms ging ein einjähriges Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit zwei halleschen Gymnasien voraus. Seit dem Wintersemester 2007/2008 konnten ausgewählte Schüler des Georg-Cantor-Gymnasiums und des Landesgymnasiums Latina an Lehrveranstaltungen der Universität teilnehmen. Diese Testphase verlief durch eine motivierte Teilnahme der Gymnasiasten so erfolgreich, dass der Durchführung des Projekts Frühstudium nichts mehr im Wege stand. Acht weitere Gymnasien gehören inzwischen zum Netzwerk der Universität. Sie dürfen sich nun "Martin-Luther-Universität Prime-Gymnasium" nennen.

Neben der Förderung begabter Schüler steht auch die Motivation der zukünftigen Abiturienten für ein Studium im Vordergrund. Vor allem die technisch-naturwissenschaftlichen Studiengänge ziehen immer weniger Studienbewerber an. Durch ein Frühstudium als Schnuppermöglichkeit für wissbegierige Schüler soll das Interesse an diesen Fächern und am Studium verstärkt werden. Gleichzeitig will sich die MLU als attraktiver Studienort ins Bewusstsein der potenziellen Studienanfänger rücken. Besonders begabte Schüler erhalten die Möglichkeit, Teile eines Studiums schon während der Schulzeit zu absolvieren, so dass sie ihr Studium schneller abschließen können.

Aus der Schule in den Unialltag

Kathleen Ebert und David Söhngen gehören zu den Schülern, für die schon zwei Jahre vor ihrem Abitur das Studentenleben begann. Die beiden Latina-Schüler der Klassenstufe 11 durften im vergangenen Wintersemester am Projekt Frühstudium teilnehmen. Die beiden entschieden sich aus dem Angebot an Lehrveranstaltungen für eine Vorlesung der Betriebswirtschaftslehre, die eigentlich für das dritte Fachsemester konzipiert ist. "Die Finanzmathematik am Anfang war noch ganz einfach – Zinsrechnung und Logarithmen hatten wir ja auch schon in der Schule", erinnert sich Kathleen Ebert, "aber dann tauchten plötzlich Begriffe wie Liquiditätszahlung oder Portfolio auf, das kannten wir noch nicht". Als Schwierigkeit kam hinzu, dass die beiden nicht die dazugehörigen Übungen besuchen konnten – denn die lagen in der Schulzeit.

Doch das größte Kopfzerbrechen bereitete den Gymnasiasten nicht wie erwartet der Inhalt der Vorlesung, sondern vielmehr die Abläufe im Uni-Alltag: "Man hat sich schon komisch gefühlt, wenn man pünktlich um 16.00 Uhr da war und der Vorlesungssaal noch leer war", berichtet David Söhngen. Und für Kathleen Ebert endete das Semester durch die verwirrenden Universitätsgepflogenheiten sogar ungeplant ohne Prüfung: "Als ich erfahren habe, dass ich mich für die Prüfung hätte anmelden müssen, war der Anmeldeschluss schon vorbei. Ich fand es logisch, wenn ich die Veranstaltung besuche, dass ich dann natürlich auch die Prüfung schreiben will."

Mit den 'echten' Studenten haben die beiden indes keine positiven Erfahrungen gemacht. "Ein Student, mit dem wir ins Gespräch kamen, reagierte auf unser Erklärung über das Frühstudium etwas komisch und er hat sich dann möglichst schnell woanders hingesetzt", erzählen die beiden von dem spärlichen Kontakt zu den Kommilitonen.

Perspektiven für Studium und Beruf

Doch diese Erlebnisse konnten die Erfahrungen der beiden Frühstudenten nicht trüben. Allein schon um das Leben und den Ablauf an der Uni kennen zu lernen, hat sich das Semester gelohnt, sind sie sich einig. "Vorher dachte ich, dass es einfacher ist, wenn man nur ein Studienfach hat, wofür man lernen muss, und nicht so viele unterschiedliche Schulfächer – doch jetzt habe ich gemerkt, dass man viel Kraft braucht, um das Pensum zu schaffen", stellt Kathleen Ebert am Ende des Semesters fest. Trotzdem weiß sie nun, dass sie auf alle Fälle studieren will. Dass das "Hineinschnuppern" in ein Fach bei ihrer Wahl für ein Studium helfen wird, da sind sich die beiden Elftklässler einig - auch wenn sie sich nach ihrem Abitur für etwas anderes entscheiden sollten.

Auch die hallesche Universität hat bei den Schülern einen guten Eindruck hinterlassen: Die sympathische und moderne Atmosphäre haben die beiden positiv in Erinnerung.