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Bäckereien Bäckereien: Bei den Brötchen war nicht alles schlecht

Von Caroline Bock 01.10.2007, 06:28
Bäcker Oliver Sporys packt in seinem Berliner Laden mehrere «Ostschrippen» für eine Kundin in eine Papiertüte. (Foto: dpa)
Bäcker Oliver Sporys packt in seinem Berliner Laden mehrere «Ostschrippen» für eine Kundin in eine Papiertüte. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Kurz nach der Wende hielt das Wessi-Brötchen Einzug. Das war aufgeblasen und sah gut aus, wie vieles in der westlichen Glitzerwelt. Nur geschmeckt hat es vielen nicht, so dass heute Bäcker wieder stolz «Ostschrippe» ans Regal schreiben. Manchen kommt nur in die Tüte, was wie früher schmeckt. Und das war in der Erinnerung von Ostdeutschen besser, zumindest wenn die Ware nicht vom Konsum oder aus Backwarenkombinaten kam.

In der ehemals geteilten Stadt Berlin ist es ausgerechnet einWestdeutscher, der sich für die Ostschrippe interessiert. OliverSporys (41) wollte den Mythos ergründen und sagt heute: «Es ist ein ganz klassisches Brötchen.» Angefangen hat Sporys mit Laugengebäck wie in seiner baden-württembergischen Heimat, in einem WG-Zimmer in Moabit. Heute ist der Bäcker Chef von 20 Mitarbeitern, in den Filialen seines Betriebes wird ganz traditionell gebacken. Vorgefertigte Teiglinge aus Polen oder China haben bei einem echten Bäcker nichts zu suchen.

Weizenmehl, Salz, Hefe, Wasser, Malzpaste sind die Zutaten für diekompakten, handtellergroßen Brötchen, die der Experte im Laufe derZubereitung mindestens fünf Mal in der Hand hat. «Slow Baking» nenntdas Sporys. «Man nimmt sich einfach ein bisschen Zeit.» Ihregoldbraune Kruste erhalten die Teigstücke mit der charakteristischenRitze im Etagenofen. Wichtig ist laut Sporys, dass sie danach einekleine Wassernebel-Dusche bekommen, wie er in seiner Backstube inBerlin-Mitte demonstriert. Richtig erstaunt seien seine Kunden, dassseine Ware nicht angeliefert werde: «Was, Sie machen das selbst?»

Die Zahlen vom Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerksbestätigen, dass die Back-Kunst generell seltener wird. 1999 gab esbundesweit noch 20 600 Betriebe, heute sind es 16 300. Dennoch: «Wirhaben nach wie vor die größte Artenvielfalt bei Brot und Brötchen»,sagt Frank Rennebarth, Volkswirt beim Zentralverband. Oft sind esDiscounter, Kioske, Imbisse und Tankstellen, die den BäckernKonkurrenz machen.

Ob Rundstücke, Knüppel oder Semmel: Fades Backwerk wird zumLeidwesen von Kennern mittlerweile häufig angeboten. Und das in einemLand, das mit 300 Brotsorten wirbt und in dem pro Kopf jedes Jahr 26Kilo Brot und Brötchen verzehrt werden. Auch im Westen vermisstmancher den guten Geschmack beim Frühstück. «Wer hat's versemmelt?»,fragten sich schon süddeutsche Gastrokritiker.

«Wonach schmeckt Luft?», lautet die rhetorische Frage, die derBerliner Bäcker Lars Siebert (49) angesichts der aufgeblasenen Warestellt. Er führt in vierter Generation einen Betrieb im PrenzlauerBerg und beteuert, dass dort die Brötchen schmecken wie früher.Täglich werden in seiner Stube bis zu 10 000 Stück gebacken, die wiebei seinem Kollegen Sporys 20 Cent kosten. «Die Kunden kommen vonweit her und stehen Schlange», erzählt Siebert. Das Aroma steckt ihmzufolge in der Kruste. «Ein Brötchen soll ja nach was schmecken.»

Das Stadtmagazin «Tip» hebt hervor: «Ob Ost, ob West - dieSchrippe gab es schon vor Mauerbau.» Wie ein Prachtexemplar aussieht,kann man denn auch im Westen der Stadt sehen: Im Wedding steht einfünf Tonnen schweres Kunstwerk aus Sandstein.