Autobranche Autobranche: Autos aus Coswig

Coswig/ddp. - Zu Unrecht, weiß der Kustos für Straßenverkehr imVerkehrsmuseum Dresden, Thomas Giesel.
Der sächsische Automobilpionier hatte seine Fabrik nämlich inCoswig bei Dresden und hieß Emil Hermann Nacke (1843 - 1933). Schon1900 und 1901 hatte der Maschinenbauer erste Personenwagen aufBestellung an Industrielle und höhere Beamte ausgeliefert. «Dasbestätigte sogar August Horch (1858 - 1951) in seiner Biografie»,sagt Giesel. Zwar existiert das Fabrikgelände noch immer im CoswigerStadtteil Kötitz, der Automobilbauer Nacke allerdings ist nur nochFachleuten der Automobilbranche und Interessierten anRegionalgeschichte ein Begriff.
Spätestens mit Ende des Zweiten Weltkrieges verschwand die FirmaNacke aus der öffentlichen Wahrnehmung nach Enteignung und Demontageder Technik durch die Rote Armee. Der Niedergang habe allerdingsbereits in den 1920er Jahren begonnen, hat Giesel recherchiert.Damals verpasste der bereits hoch betagte und kinderlose Firmenchefden Anschluss an den technischen Fortschritt. «Nacke wehrte sichgegen Kooperation mit anderen Fahrzeugherstellern», erklärt derExperte aus dem Verkehrsmuseum. Bis kurz vor seinem Tod 1933 im Altervon 90 Jahren soll Nacke noch die Geschicke seiner Firma geleitethaben, die er nur zögerlich an einen seiner Neffen übergab.
Als Ingenieur Nacke in den Automobilbau einstieg, war er bereits57 Jahre alt. Vom Besuch der Pariser Automobil-Ausstellung 1900brachte der bereits erfolgreiche Maschinenbauer einen Zweisitzer derMarke «Panhard & Lavassor» mit, daraufhin gründete er in seinerMaschinenfabrik eine Abteilung Automobilbau und entwickelte seineeigenen Nobelwagen, die er «Coswigas» nannte. «Wir würden so etwasheute wahrscheinlich Industriespionage nennen», vermutet Giesel.
Das erste Auto aus Coswig war etwa 30 bis 35 Stundenkilometerschnell und hatte eine Leistung von acht bis zehn PS. Die Fahrzeugeliefen bei Nacke niemals vom Band: Alle Autos warenEinzelanfertigungen, die Käufer der noblen Karossen konnten ihreWünsche einbringen. Sämtliche Einzelteile wurden in der eigenenFabrik gefertigt. Der sächsische Hof orderte einen Jagdomnibus. Nackewar der Einstieg in den Nutzfahrzeugbau gelungen. Es entstandenTransporter, die der weltgewandte Geschäftsmann mit perfektenenglischen und französischen Sprachkenntnissen auch ins Auslandexportierte. Aus Indien sind Einsätze Coswiger Lastwagendokumentiert, sagt Giesel.
Aufsehen erregte Nacke, als Kaiser Menelik II. von Abessinien -heute Äthiopien - einen Personenwagen aus Coswig kaufte. Auch dasMilitär orderte Transporter in größerer Anzahl. Nacke soll Vorreiterbei der Ablösung des Kettenantriebs durch die Kardanwelle gewesensein. Zwischenzeitlich betrieb der Fahrzeughersteller undMaschinenbauer sogar eine eigene Omnibus-Linie, mit der er die StadtMeißen in Niederau an die Leipziger und in Weinböhla an die BerlinerEisenbahnlinie anschloss. Der Unternehmer galt als sozial, bauteFirmenwohnungen mit kleinen Gärten, beschenkte die Kinder seinerArbeiter und Angestellten zu Weihnachten und Ostern.
Das Verkehrsmuseum hat noch ein Originalfahrgestell ausNacke-Produktion ausfindig machen und fürs Depot aufkaufen können.Der Nachbau eines Transporters sei damit mittelfristig durchausrealistisch, sagt Kustos Giesel.
Dem Stadtmuseum in Coswig gelang es mit Hilfe von Sponsorenunlängst, eine «Coswiga» im Maßstab 1:8,5 nachbauen zu lassen. Amehemaligen Fabrikgelände wurde in diesem Jahre eine Gedenktafel fürden sächsischen Autopionier angebracht, sagt Archivarin Petra Hamann.Sie macht sich seit Jahren für die Nacke-Tradition in Coswig stark.Trotzdem gibt es bisher keine Straße, die nach dem Fabrikantenbenannt ist. Nackes Villa steht auf Radebeuler Gebiet und wird zuWohnungen umgestaltet, ein Hinweis auf das Erbe des Autofabrikantenfehlt bisher.