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Aufregung im Netz Aufregung im Netz: Hat Polizist in Themar einen Rechten mit Handschlag begrüßt?

18.07.2017, 13:32

Themar - Die Thüringer Polizei hat ihre Entscheidung verteidigt, das Neonazi-Konzert in Themar trotz des von Besuchern gezeigten Hitlergrußes nicht aufzulösen. Das Versammlungsrecht habe in diesem Fall schwerer gewogen als die Straftaten, sagte ein Sprecher am Montag in Erfurt. Diese Abwägung müssten die Beamten bei Gesetzesverstößen aus einer Versammlung heraus immer wieder vornehmen.

„Darüber hinaus hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein erheblicher Abgang der Versammlungsteilnehmer stattgefunden und das Ende der Versammlung stand unmittelbar bevor.“ Rund 6000 Rechte waren am Samstag zu dem Rechtsrock-Festival in Südthüringen zusammengekommen.

Am Sonntag war ein Video in den Sozialen Netzwerken aufgetaucht, das laut Polizei bei dem Konzert aufgenommen wurde. Es zeigt Dutzende Konzertbesucher, die vor der Bühne den Hitlergruß zeigen und „Sieg Heil“ rufen. Viele Nutzer kritisierten, dass die Polizei die Versammlung nach den Gesetzesverstößen nicht aufgelöst habe.

Am Montag hat die Polizei in Thüringen auf die Kritik reagiert und viele Fragen beantwortet:

Wieso begrüßen Polizisten in Themar Versammlungsteilnehmer offenbar per Handschlag?

Über die sozialen Netzwerke hat die Polizei auch eine große Anzahl von Posts zu dem Thema erreicht, dass Kollegen mögliche Mitglieder rechter Bands mit Handschlag begrüßen.

Dem ist nicht so! Die Polizei hat sich der Sache gründlich angenommen und mit dem Kollegen selbst gesprochen. Er hat die Situation so geschildert, dass der Versammlungsteilnehmer versucht hat nach seiner Hand zugreifen, er ihm aber diesen Handschlag nicht erwidert hat. Wer sich die Mühe macht das Bild entsprechend zu vergrößern, wird das auch unschwer erkennen können- die Hand des Beamten befindet sich unterhalb des Arms des Versammlungsteilnehmers.

„Wir wissen um die Macht solcher Bilder und finden es besonders schade, wenn dann immer etwas hinein interpretiert wird. Wie gesagt, eine Vergrößerung des Bildes spricht für sich selbst.“, erkklärt die Thüringer Polizei abschließend.

War der Polizei bekannt, dass im Festzelt der Hitler-gruß gezeigt wurde? Es waren ja zahlreiche Polizeibeamte im Einsatz.

Die Situation war der Polizei bekannt. Die Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen (das Zeigen des Hitler-Grußes) durch Versammlungsteilnehmer wurde durch die Einsatzkräfte festgestellt und ist im Einsatzverlauf dokumentiert. Polizeiliche Ermittlungen wegen dieser Straftaten wurden unmittelbar nach der Dokumentation eingeleitet.

Dem ersten Post zum Sachverhalt auf Facebook liegt eine leider missverständlich kommunizierte Aussage zu Grunde. Das Video, welches die Verstöße zeigt, war den Beamten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht bekannt. Zwischenzeitlich wurde der Urheber kontaktiert und um die Übersendung des Materials im Original gebeten, um es als Beweismittel in die polizeilichen Ermittlungen einbringen zu können. Nach der Kontaktaufnahme erfuhren die Polizeibeamten, dass er das Video zwischenzeitlich eigenständig bei Youtube und Facebook gelöscht hat.

In den sozialen Netzwerken formulierten die Polizisten zusätzlich die Bitte um Kontaktaufnahme, um weitere geeignete Aufzeichnungen zu erlangen.

Warum wurde die Versammlung in Themar nicht aufgelöst?

Gemäß Versammlungsgesetz ist die Polizei bei der Feststellung von Verstößen verpflichtet mit einem abgestuften Vorgehen zu reagieren. Dabei müssen die Beamten insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, unter Beachtung des hohen Gutes der Versammlungsfreiheit (Grundrecht). Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits ein erheblicher Abgang der Teilnehmer eingesetzt und das Ende der Versammlung stand unmittelbar bevor.

Welche Maßnahmen werden jetzt eingeleitet?

Hinsichtlich der Ermittlungen beginnt nun die akribische polizeiliche Arbeit. Dazu wertet die Polizei zahlreiche Bilder und Videoaufzeichnungen aus, was im Übrigen ein ganz normaler Vorgang nach einer solchen Versammlungslage ist.

Die bereits eingeleiteten Ermittlungen werden zügig geführt und anschließend an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben.

Warum hat die Polizei Ihre Zustimmung zur Erweiterung des Versammlungsgeländes gegeben?

Die Entscheidung erfolgte durch die zuständige Versammlungsbehörde in Abstimmung mit der Polizei. In der konkreten Situation war zu diesem Zeitpunkt zu befürchten, dass Gefahren für die Unversehrtheit der Versammlungsteilnehmer eintreten könnten. Aufgrund der extremen räumlichen Enge war es bereits zu Panikattacken Einzelner gekommen.

Auch darf ein Versammlungsraum nicht ohne zwingende Gründe begrenzt werden. Der Versammlungsfreiheit war in Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vorrang gegenüber den Rechten Dritter (Eigentumsrechte) einzuräumen.

Außerdem wäre ein erforderliches Agieren der Beamten oder den Rettungskräften im Innenbereich des Versammlungsraumes mit erheblichen Gefahren verbunden gewesen. Dem galt es vorzubeugen.

Warum sind die anreisenden Konzertbesucher nicht schon am Parkplatz zurückgehalten worden, um eine Überfüllung des Geländes zu vermeiden?

Die Polizei ist bei der Lageeinschätzung von bis zu 5000 Teilnehmern ausgegangen. Nach Einschätzung der Versammlungsbehörde entsprach das Fassungsvermögen des Veranstaltungsraumes dieser Prognose.

Die zuständigen Behörden haben alle möglichen Maßnahmen zu treffen, um Versammlungsteilnehmern den Zugang zur Versammlung zu ermöglichen.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Versammlungscharakter des Konzerts festgestellt. Daher wäre eine Zugangsbeschränkung rechtswidrig gewesen, so lange alternative Möglichkeiten – wie die Erweiterung des Veranstaltungsraumes – bestanden. (mz/mb)