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Architektur Architektur: Vom Wohnsilo zum Swimmingpool

17.10.2005, 06:48
Die Bauherrin Beate von Zweydorff steht in Mehrow bei Berlin neben dem Richtkranz ihres zukünftigen Einfamilienhauses, das aus alten DDR-Plattenbauelementen errichtet wird. (Foto: dpa)
Die Bauherrin Beate von Zweydorff steht in Mehrow bei Berlin neben dem Richtkranz ihres zukünftigen Einfamilienhauses, das aus alten DDR-Plattenbauelementen errichtet wird. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - «Die Platten werden einfach mit Schwerlastdübeln zusammengeschraubt», erklärt Claus Asam, Bauingenieur am Institut fürErhaltung und Modernisierung von Bauwerken an der TechnischenUniversität Berlin. Zuvor waren die Betonplatten meist geschreddertund dann für den Bau von Straßen verwendet worden.

Gemeinsam mit Hervé Biele vom Architekturbüro Conclus hat Asam ineinem vom Bund geförderten Projekt untersucht, wie gut sich die«Platte» als Baumaterial wiederverwenden lässt. Im 500-Einwohner-OrtMehrow bei Berlin schraubten sie aus zurechtgesägten Platten einEinfamilienhaus zusammen. Fazit: «Mit der Wiederverwendung derPlatten lassen sich bis zu einem Viertel der Kosten für den Rohbausparen», sagt Asam. Festigkeit und Tragfähigkeit der Platten sindeinwandfrei, der Schall entspricht dem eines Massivsteinhauses. Miteiner isolierenden Fassade kann die Wärmedämmung auf Neubauniveaugebracht werden.

Noch bestimmt die «Platte» wie kaum ein anderer Baustil dasGesicht der Städte in den neuen Ländern. Vor der Wende wegen ihrerZentralheizung und neuer Sanitäranlagen heiß begehrt, können dieWohnungen aber heute oft nur noch mit Mietnachlässen an den Manngebracht werden. Deutschlandweit stehen rund 15 Prozent derPlattenbausiedlungen leer. Allein im Berliner Stadtteil Marzahnsollen deshalb mehrere Tausend Wohnungen verschwinden. Bundesweit istbis 2010 der Rückbau von 350 000 Wohnungen geplant.

Genutzt werden zur Zeit nur die Innenwände und die Decken derPlattenbauwohnungen. «Die Dämmschicht der Außenwände kann Krebserregende Substanzen enthalten», erklärt Biele. Aus einer typischen«Platte» - 70 Meter lang, elf Geschosse, drei Eingänge - können elfgeräumige Eigenheime gebaut werden. «Nach dem Abbau der Plattendauert es rund zehn Tage, bis das neue Haus steht», sagt Asam.

Ideen, um die «Platte» sinnvoll weiterzuverwenden, sind nicht neu.In Skandinavien wurden schon vor Jahrzehnten Siedlungen errichtet,deren Plattenbau-Gerüst unsichtbar hinter Holz und fröhlichen Farbenverborgen liegt. In Deutschland entstand vor sechs Jahren inMecklenburg-Vorpommern erstmals ein Zweifamilienhaus ausBetonplatten.

«Das Interesse, die gebrauchten Teile einer Zweitnutzungzuzuführen, nimmt zu», sagt Angelika Mettke von der BrandenburgischenTechnischen Universität Cottbus. Das Spektrum geplanter Bauten reichedabei von Vereinshäusern, Reihenhaussiedlungen, Kindereinrichtungenund öffentlichen Anlagen wie Parks bis hin zum Bau von Swimmingpoolund Bunker. «In erster Linie reizt die Bauherren der Preisvorteil.»

Städteplaner wollen durch den Rückbau der «Platte» meist ihreStadt verschönern. Oft genug können sie die Symbole frostigerAnonymität gar nicht schnell genug abreißen. Mit Gewalt intaktePlatten zu entfernen sei aber unsinnig, kritisiert Mettke voreiligeAbrisspläne. «Oft reicht doch schon der Rückbau einiger Obergeschosseund die Häuser sehen viel gefälliger aus.»

Dass aus gestutzten und hübsch zurechtgemachten Plattenbauten einschickes Wohnviertel entstehen könne, zeige beispielsweise DresdenGorbitz. Bedenken um die Haltbarkeit müsse man sich weder bei einem«transformierten» noch einem neuen Plattenbau machen: «Beton istabsolut unverwüstlich», sagt Mettke. «Er hält 120 Jahre und mehr.»