Anlagebetrug Anlagebetrug: Ex-Prokurist von Phoenix zu hoher Haftstrafe verurteilt
Frankfurt/Main/dpa. - Der 47 Jahre alte Michael Milde muss nach dem Entscheid desLandgerichts Frankfurt wegen besonders schweren Betrugs undUrkundenfälschung für sieben Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Diemitangeklagte frühere Chefsekretärin des Firmeninhabers DieterBreitkreuz wurde vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen, erhieltjedoch eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegenUntreue. Phoenix Kapitaldienst hatte rund 30 000 Anleger mitvorgetäuschten Finanzgeschäften um eine Nettosumme von 300 MillionenEuro geprellt.
Der Vorsitzende Richter Jochen Müller sprach von einer«Schreckensbilanz» und übte schwere Kritik an der Finanzaufsicht unddem zuständigen Wirtschaftsprüfer, der «gegen alle Regeln seinerZunft verstoßen» habe. Die ausgedachten Termingeschäfte von PhoenixKapitaldienst waren über ein Jahrzehnt hinweg nicht aufgeflogen, dadie nichts ahnenden Vertriebsmitarbeiter immer neue Anlegergeldereinwarben.
Erst nach dem tödlichen Flugzeugabsturz von Breitkreuz 2004deckten neue Geschäftsführer den Schwindel schrittweise auf, den derFirmenpatriarch gemeinsam mit seinem Prokuristen ausgeheckt hatte. ImMärz 2005 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Die 64-jährige,zur Geschäftsführerin beförderte Chefsekretärin verteilte in letzterMinute mehr als eine Million Euro aus der Kasse an befreundeteAnleger - eine Art «Family and Friends»-Programm, wie der Richter esausdrückte, das den Tatbestand der Untreue erfüllte.
Milde erweckte während des Prozesses kaum den Eindruck einesabgebrühten Betrügers. Mit leiser Stimme schilderte der gelernteMathematiker aus Sachsen-Anhalt, wie er nach der Wende einen Job beiPhoenix ergattert hatte - zum Vorstellungsgespräch war er im Trabivorgefahren. Im Laufe der Jahre stieg Milde zur rechten Hand vonBreitkreuz auf, der laut Gericht in der Branche als «Schmuddelkind»galt.
Beim riskanten Optionshandel erzielte Phoenix Kapitaldienstanfangs hohe Verluste, die mit Hilfe manipulierter Buchungenvertuscht wurden. Am Ende wurde nur noch ein geringer Teil derInvestorengelder angelegt. Milde geriet in einen Teufelskreis, ausdem er sich nicht traute auszubrechen. «Ich ließ mich überreden.Breitkreuz war der Chef und ich der Anfänger», schildete er vorGericht. «Mit ungeheurem Fleiß und Präzisionsarbeit» fälschte er nachden Worten von Richter Müller Dokumente, und der Wirtschaftsprüferwinkte die höchst verdächtigen Geschäftsberichte durch.
Strafmildernd habe sich das «lupenreine Geständnis» Mildesausgewirkt. Die Angeklagte wiederum habe sich nicht zu einemSchuldbekenntnis durchringen können, daher sei ihre Strafe auch nichtzur Bewährung ausgesetzt worden. Beide sitzen seit mehr als einemJahr in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft für Milde sowie zweiJahre und neun Monate für die Sekretärin gefordert. StaatsanwaltWilhelm Möllers schloss Ermittlungen gegen weitere Verdächtige nichtaus: «Der Gesamtkomplex ist noch nicht abgeschlossen.» DieVerteidiger wollen prüfen, ob sie in die Berufung gehen.
Richter Müller zeigte sich skeptisch, ob ähnliche Betrugsfälle inZukunft verhindert werden können. Er bemängelte die «strukturelleFehlkonzeption» der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht(BaFin), die ein rechtzeitiges Eingreifen verhindert habe. DerInsolvenzverwalter von Phoenix Kapitaldienst stellte rund 230Millionen Euro an Anlegergeldern sicher, Anfang 2007 können diegeprellten Investoren mit ersten Entschädigungszahlungen rechnen.