Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Job-Speed-Dating für Ex-Sovello Mitarbeiter

Bitterfeld-Wolfen/dpa. - Beim Autobauer aus Leipzig ist die Schlange am längsten, beim Fotodienstleister aus Wolfen ist der Stuhl am Tisch begehrt, bei einer kleinen Handwerksfirma ist der Platz vor dem Personalchef noch frei. „Na, hast du was gefunden?“, fragt aufgeregt eine 42-Jährige ihre frühere Kollegin von der Solarfirma Sovello in Bitterfeld-Wolfen, als sie nach zehn Minuten beim Job-Speed-Dating den Stuhl für den nächsten Bewerber freimacht.
„Kann sein, abwarten, man weiß ja nie“, sagt die dunkelhaarige Frau und klemmt sich Unterlagen fest unter den Arm. Rund 350 Ex-Mitarbeiter von Sovello hatte die Arbeitsagentur am Donnerstag zum Job-Speed-Dating nach Wolfen eingeladen. Die Form der schnellen Arbeitssuche und Arbeitsangebote wurde bundesweit nach der Pleite der Drogeriekette Schlecker bekannt, praktiziert wird sie auch bei der Job- und Ausbildungssuche für Jugendliche.
Rund 40 Arbeitgeber sind in das Kulturhaus Wolfen gekommen, mit Präsentationen und unterschiedlichen Stellenangeboten - Elektriker, Anlagenmechaniker, Hardwareentwickler, Buchhalter, Büroallrounderin mit Englischkenntnissen oder Heizungsinstallateur. „Man hatte das Gefühl, sie haben nur auf unseren Anruf gewartet“, erzählt Ines Blaschzok von der Arbeitsagentur Dessau-Roßlau-Wittenberg. Innerhalb von eineinhalb Tagen seien Zusagen von Arbeitgebern zum Job-Speed-Dating eingegangen. Die Gewerkschaft IG BCE hatte zudem rund 180 Firmen angeschrieben, wie Bezirksleiter Erhard Koppitz sagt. „Denn es geht hier um die Zukunft einer ganzen Region“.
Bitterfeld-Wolfen, von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelt, war mit „Solar Valley“ einst einer der größten Solarstandorte Europas - bis zur Insolvenz des einstigen Solarzellen-Weltmarktführers Q-Cells und der Sovello GmbH in diesem Jahr. Dort hätten sie noch vor einigen Wochen gearbeitet, berichten drei Männer in den Dreißigern, die nun in der Bewerberschlange stehen. Wie alle der 1000 Beschäftigten von Sovello hatten sie auf eine sonnige Zukunft in Bitterfeld-Wolfen gehofft, sechs Jahre dort in Schichten gearbeitet.
Und was erhoffen sie sich vom Job-Speed-Dating? „Dass man einen halbwegs gut bezahlten Job in der Nähe bekommt“, sagen die Männer fast aus einem Munde. Elektriker habe er gelernt, sagt ein 36-Jähriger, ein Haus gebaut, eine Familie gegründet. „Ich sag mal so, ich würde auch finanzielle Abstriche machen. Hauptsache schnell Arbeit finden und nicht ganz so weit weg, sonst geht das Geld am Monatsende für das Benzin drauf“, pflichtet ihm sein Kollege, ein Mechatroniker, bei. Wie andere Bewerber im Saal will auch er seinen Namen nicht nennen.
„Auch wenn das hier zum Kennenlernen ist: Es sind Chefs, die hier sitzen, und der erste Eindruck entscheidet oft, ob man genommen wird oder nicht“, beschreibt eine junge Frau, die im Bürooutfit mit Kostüm gekommen ist, den Ernst der Lage. Seit Anfang August ist ihr bisheriger Arbeitgeber Sovello in Insolvenz, die Produktion wurde eingestellt, nur noch 172 Mitarbeiter halten die Anlagen in Betriebsbereitschaft - für den Fall, dass Insolvenzverwalter Lucas Flöther einen Investor findet. Mit mehreren Interessenten werde gesprochen, einer prüfe derzeit schon die Bücher der Firma, hieß es.
Möglichst bis Ende Oktober will er einen Investor für Sovello gefunden haben, sagt der Rechtsanwalt. Zugleich warnt er vor übertriebenen Erwartungen. Die Lage der Firma sei so schlimm gewesen, dass die Produktion nicht aufrecht erhalten werden konnte. Sovello bekam wie andere deutsche Firmen der Branche allerdings auch den Konkurrenzdruck aus Asien zu spüren.
Die Chancen auf einen neuen Job sieht der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, Kay Senius, für die Sovello-Leute „überwiegend gut“, da sie auch andere Berufe gelernt hätten. Metallbauer etwa würden gesucht. „Man muss aber flexibel und mobil sein“, betont er. Rund 11 000 freie Stellen haben die Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt derzeit im Bestand, 131 000 Menschen sind im Land arbeitslos.
Für Lutz Glatho, Eigentümer der Zehn-Mann-Firma Rowa Haustechnik aus Rodleben, war das dreistündige Speed-Dating „durchwachsen“. Doch es habe auch hoffnungsvolle Gespräche gegeben. „Flexibel muss man aber sein, denn auch außerhalb der normalen Arbeitszeit will der Kunde seine Heizung schnell repariert haben.“