Analyse: Nach Mügeln neuer Vorstoß für NPD-Verbot
Berlin/dpa. - Die ausländerfeindlichen Ausschreitungen im sächsischen Mügeln haben ein Verbot der rechtsextremen NPD wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Als prominentester Fürsprecher eines neuen Verbotsverfahrens meldete sich der SPD-Vorsitzende Kurt Beck zu Wort.
Sein Vorstoß war kein einsamer Schnellschuss: Bereits am Montag verabschiedete der SPD-Vorstand einen entsprechenden Antrag, der auf dem Parteitag im Oktober behandelt werden soll - keine Reaktion auf Mügeln, sondern schon länger geplant.
In den Reihen der SPD mehren sich die Stimmen für ein neues Verbotsverfahren. Sowohl Berlins Innensenator Ehrhart Körting als auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy, halten dies für Erfolg versprechend.
Skeptisch zeigt sich hingegen die Union. Auch das Innenministerium hält wenig von der Idee. Zweifellos sei die NPD antidemokratisch, antisemitisch und verfassungsfeindlich und erfülle damit grundsätzlich Voraussetzungen für Verbot, heißt es dort. Um den Erfolg eines Verfahrens nicht zu gefährden, müsste jedoch die nachrichtendienstliche Beobachtung der Partei eingestellt werden. Darauf will das Ministerium nicht verzichten.
In der Sache hat sich trotz der jüngsten Ausschreitungen nichts verändert: Die Problematik der V-Männer des Verfassungsschutzes in Führungsgremien der NPD bleiben der entscheidende Punkt bei einem Verbotsverfahren. 2003, als die Verbotsanträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat in Karlsruhe scheiterten, sahen die Verfassungsrichter in den V-Leuten ein «nicht behebbares Verfahrenshindernis».
Die Hürden für ein Parteienverbot sind hoch. Nur das Verfassungsgericht kann eine Partei verbieten, und dafür bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Seit Gründung der Bundesrepublik gab es erst zwei solche Verbote: 1952 traf es die extrem nationalistische Sozialistische Reichspartei und 1956 die kommunistische KPD.
Doch auch nach dem Scheitern in Karlsruhe wollte das Thema nicht ruhen. Als im September die NPD in den Landtag Mecklenburg-Vorpommerns einzog, wurden die Rufe nach einem Verbot wieder lauter - zumal viele das Auftreten der NPD in jüngster Zeit als besonders provokativ empfinden. So wurde jetzt NPD-Chef Udo Voigt wegen Volksverhetzung angezeigt, nachdem er erklärt hatte, den NS-Kriegsverbrecher Rudolf Heß für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Empörung löste auch der Schweriner NPD-Fraktionschef Udo Pastörs mit seinem Spruch aus: «Uns gehört die Zukunft, her mit der Macht!»
Für ein besonderes Ärgernis sorgt die Parteienfinanzierung. Man könne es der Öffentlichkeit nicht erklären, weshalb der Staat eine Partei unterstütze, die die Demokratie abschaffen wolle, meint nicht nur der SPD-Abgeordnete Edathy. 2006 erhielt die NPD auf Grund ihrer Wahlerfolge 1,4 Millionen Euro vom Staat - das waren mehr als 40 Prozent ihrer Gesamteinnahmen.
Bei allem Streit über den Sinn eines neuen Verfahrens herrscht unter den demokratischen Parteien indes Konsens, dass ein Verbot der NPD das Problem nicht aus der Welt schaffen würde. Es ist eine mittlerweile auch wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis, dass der Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. So ermittelte die Universität Leipzig kürzlich, dass sich jeder sechste Deutsche nach einem «Führer» sehnt. Etwa jeder vierte Deutsche stimmte ausländerfeindlichen Aussagen zu.
Die Hetzjagd auf acht Inder in Mügeln scheint dies zu belegen: Es ging dort nicht um organisierten Rechtsextremismus, sondern um alltäglichen Rassismus und Fremdenhass. Was sonst nur in den Köpfen nistet, kam zum Ausbruch.